Der Lauf einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist

Der Lauf einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen ist bei schwebenden Verhandlungen nicht in analoger Anwendung des § 203 Satz 1 BGB für die Dauer dieser Verhandlungen gehemmt. Im Gegensatz zu einer Ausschlussfristenregelung mit dem Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung nimmt eine solche Verfallklausel nicht auf einen vom Verjährungsrecht zur Hemmung der Verjährung zur Verfügung gestellten Tatbestand (§ 204 Absatz 1 Nr. 1 BGB) Bezug. Mangels Ähnlichkeit von Funktion und faktischer Wirkung ist der Regelungsgehalt von § 203 S. 1 BGB auf eine solche Verfallklausel nicht übertragbar (BAG, Urt. v. 17.04.2019 – 5 AZR 331/18).

Hintergrund

Der Kläger war vom 01.06.2012 bis zum 31.03.2017 als Leiter des Bereichs Technik und Anwendungstechnik bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Dienstvertrag zugrunde, wonach der Kläger u. a. ein Jahresgehalt i. H. v. 102.000,00 Euro brutto sowie eine leistungsabhängige Prämienzahlung i. H. v. 15.000,00 Euro brutto erhalten sollte. Die leistungsabhängige Prämie war bis zum 31.03. des jeweiligen Folgejahres zahlbar. In § 14 des Dienstvertrages war zudem eine doppelte Ausschlussfrist geregelt, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht und nach Ablehnung innerhalb von drei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Ab dem Jahr 2014 hat der Kläger keine Prämien mehr erhalten. Am 23.11.2015 hat der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten eine Liste mit Themen übergeben, über die ein Gespräch stattfinden sollte. Aufgeführt war u.a. die Zahlung von „Tantiemen“ für die Jahre 2014 und 2015. Das Gespräch hat diesbezüglich zu keinem Ergebnis geführt.

Mit seiner der Beklagten am 17.02.2017 zugestellten Klage hat der Kläger u.a. die Zahlung von Prämien für die Jahre 2014 und 2015 verlangt. Das Arbeitsgericht sowie das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Revision des Klägers unbegründet sei, da die Prämienansprüche mangels rechtzeitiger Geltendmachung jedenfalls verfallen seien. Insoweit habe der Kläger die streitgegenständlichen Prämien erstmals mit der Klageschrift, die der Beklagten am 17.02.2017 zugestellt wurde, schriftlich geltend gemacht.  Etwaige Zahlungsansprüche seien zu diesem Zeitpunkt aufgrund der ersten Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist bereits verfallen gewesen.
Die Auflistung der Gesprächsthemen vom 23.11.2015 sei in diesem Zusammenhang keine für die Ausschlussfrist wahrende schriftliche Geltendmachung. Erforderlich hierfür sei vielmehr, dass die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufgefordert werde. Der Anspruchsinhaber müsse unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung sei und auf deren Erfüllung bestehe. Zudem setze die Geltendmachung  voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht werde. Dem genüge die Gesprächsthemenliste jedoch nicht, weil sich ihr nicht unmissverständlich entnehmen lasse, dass der Kläger auf der Erfüllung einer bestimmten Forderung bestehe. Es handele sich vielmehr einzig um ein Dokument zur Vorbereitung eines Gesprächs.

Diesbezüglich sei der Lauf der ersten Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen auch nicht in analoger Anwendung des § 203 Satz 1 BGB gehemmt gewesen. Selbst wenn in den Gesprächen der Parteien Verhandlungen zu sehen wären, könnte § 203 Satz 1 BGB nicht entsprechend angewandt werden, da der Kläger bereits die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist zur schriftlichen Geltendmachung der Ansprüche nicht eingehalten habe. Die Entscheidung des Senats (BAG, Urteil vom 20.6.2018 – 5 AZR 262/17) zur zweiten Stufe einer vertraglichen Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung sei hierauf nicht übertragbar. Insoweit bestehe der entscheidende Unterschied darin, dass das Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung auf einen vom Verjährungsrecht zur Hemmung der Verjährung zur Verfügung gestellten Tatbestand (§ 204 Absatz 1 Nr. 1 BGB) Bezug nehme, weshalb die Ähnlichkeit von Funktion und faktischer Wirkung es gebieten, § 203 Satz 1 BGB auf eine einzelvertragliche Ausschlussfrist, die zur Vermeidung des Verfalls eines Anspruchs seine gerichtliche Geltendmachung verlangt, entsprechend anzuwenden. Auf einen solchen, vom Verjährungsrecht zur Hemmung der Verjährung zur Verfügung gestellten Tatbestand, nehme die vorliegende arbeitsvertragliche Ausschlussfrist im Rahmen der ersten Stufe gerade keinen Bezug.

Hinweise für die Praxis

Für die Praxis enthält die Entscheidung zwei wesentliche Klarstellungen. Der Arbeitnehmer muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber der Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Dies gilt zumindest auch bei laufenden Gesprächen mit dem Arbeitgeber, wenn die erste Stufe einer doppelten Ausschlussfristenklausel noch nicht überschritten wurde. Versäumt der Arbeitnehmer dies, kann sich dieser trotz laufender Gespräche nicht auf § 203 Satz 1 BGB berufen.

Autor: Rechtsanwalt Kai Müncheberg
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