Außerordentliche und fristlose Kündigung – Beleidigung in Facebook mittels Emoticons

Auch die Beleidigung von Vorgesetzten in der Kommentarfunktion der Facebook-Chronik eines Arbeitskollegen mittels Emoticons kann eine außerordentliche und fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen (LAG Baden-Württemberg, 22.06.2016, Az. 4 Sa 5/16).

Der Fall:

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung und einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs 16 Jahre beanstandungsfrei bei der Beklagten beschäftigt, verheiratet und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtig; darüber hinaus hat er einen Grad der Behinderung von 20 und pflegte – gemeinsam mit seiner Ehefrau – seine demenzkranke Großmutter, weshalb beide Ehepartner wechselseitig in Teilzeit arbeiteten.

Die Beklagte ist ein Maschinenbauunternehmen. Sie stützte die Kündigungen auf folgenden Sachverhalt: Der Mitarbeiter war seit dem 17.07.2015 wegen eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig erkrankt. Er verletzte sich dabei an der Hand und postete seine Verletzung in seiner Facebook-Chronik. In der Kommentarfunktion sammelte sich eine Vielzahl von Einträgen zu diesem Post an, insgesamt beteiligten sich 21 Personen, neben dem Kläger auch vier weitere Mitarbeiter der Beklagten. Die Einträge handelten u. a. vom Arbeitsunfall, der Krankmeldung des Mitarbeiters sowie dessen Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb der Beklagten. In diesem Zusammenhang postete der Kläger u. a. den Kommentar „Das fette Schwein dreht durch!!!“ Für den Begriff des Schweins verwendete der Kläger allerdings ein Emoticon in Form eines Schweinskopfs. Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass sich diese Äußerung im Gesamtkontext unzweifelhaft auf einen Vorgesetzten des Klägers bezog.

Nachdem die Beklagte von diesem Eintrag Kenntnis erlangte, hörte sie den zuständigen Betriebsrat an und sprach die vorgenannte außerordentliche fristlose sowie die hilfsweise ordentliche und fristgerechte Kündigung aus.

Gegen die oben genannten Kündigungen wandte sich der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht Pforzheim eingegangenen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Hiergegen wandte sich wiederum die Berufung der Beklagten.

Die Entscheidung:

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg wies die Berufung der Beklagten zurück.

Das LAG Baden-Württemberg sah allerdings die Beleidigung eines Vorgesetzten mittels Emoticon als „fettes Schwein“ als an sich wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB an, da es sich um eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers bzw. seines Vertreters handele. Auch die Verwendung von Emoticons kann nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg eine nach Form und Inhalt erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten und somit einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und daher eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen (vgl. auch BAG v. 10.12.2009, Az. 2 AZR 534/08).

Das LAG Baden-Württemberg ließ die Kündigungen jedoch schlussendlich an der fehlenden Abmahnung scheitern, es sah die Kündigung mithin als nicht erforderlich an. Es spricht in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich davon, dass „eine deutliche gelbe Karte daher ausreichend erscheint“.

Fazit:

Das Urteil liefert in der Kasuistik der Fallgruppe der arbeitsrechtlichen Folgen der Facebook-Nutzung einen wertvollen Beitrag. Arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen durch Äußerungen in sozialen Netzwerken weisen einen enormen Aktualitätsbezug auf; wir berichteten zuletzt u. a. über das Urteil des ArbG Herne v. 22.03.2016, Az. 5 Ca 2806/15.

Die eindeutige Klarstellung des LAG Baden-Württemberg, dass auch eine Beleidigung mittels eines Emoticons möglich ist und daher eine außerordentliche und fristlose Kündigung rechtfertigen kann, ist zu begrüßen. Sie weist zudem enorme Praxisrelevanz auf, da Emoticons mittlerweile in unserem Alltag aufgrund SMS/E-Mails, Messenger-Diensten und sozialen Netzwerken fest integriert sind. Das LAG Baden-Württemberg setzte sich besonders intensiv mit den Emoticons auseinander und versuchte auch, deren genaue Bedeutung „auszulegen“, indem es in der sog. „List of Emoticons for Facebook“ recherchierte.

Darüber hinaus stellte das LAG noch weitere interessante Gedanken dar. Unter anderem verweist es auf die besondere Berücksichtigung der Verbreitungsmediums Facebook. Ein Arbeitnehmer müsse nach dem LAG Baden-Württemberg bei einer beleidigenden Äußerung, welche er in der Chronik eines anderen Nutzers poste, davon ausgehen, dass er diese Angabe gegenüber einem ihm unbekannten Empfängerkreis macht. Neben den eigenen Freunden kann die Mitteilung nämlich zumindest auch von den Freunden des Chronikinhabers angesehen werden. Außerdem hat der beleidigende Arbeitnehmer keine Kontrolle mehr darüber, ob sein Kommentar öffentlich zu sehen ist. Denn der Chronikinhaber kann den Empfängerkreis jederzeit (auch nachträglich) ändern. Sollte der Chronikinhaber die Facebook-Grundeinstellung nicht verändert haben, ist der Kommentar ohnehin von vornherein öffentlich.

Arbeitgeber haben durchaus die Möglichkeit, auf beleidigende oder ähnliche Kommentare von Arbeitnehmern zulasten anderer Arbeitnehmer und/oder Repräsentanten des Arbeitgebers und/oder des Arbeitgebers mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu einer außerordentlichen Kündigung zu reagieren. Eine Beleidigung als Kommentar bei Facebook wiegt m. E. nach viel schwerer als eine mündliche Beleidigung, denn es besteht die sofortige und ggf. nicht mehr kontrollierbare Gefahr der Vervielfältigung. Ist eine Beleidigung bei Facebook einmal in der Welt, kann sie daher nicht mehr zurückgenommen werden. Dieser Gedanke spricht bei jeder potenziellen Kündigung aufgrund einer solchen Beleidigung eine Rolle.

Quelle: LAG Baden-Württemberg v.  22.06.2016, Az. 4 Sa 5/16