Anrechenbarkeit von Sonderzahlungen und Zuschlägen auf den gesetzlichen Mindestlohn

Sonderzahlungen des Arbeitgebers (zum Beispiel Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) können unter bestimmten Voraussetzungen auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden. (BAG, Urteil vom 25. Mai 2016 – Az.: 5 AZR 135/16).

Der Fall

Das Bundesarbeitsgericht entschied das erste Mal über die Anrechnung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie diverser Zuschläge auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Die Klägerin ist Angestellte bei der Beklagten, einer Klinik-Servicegesellschaft. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag regelte unter anderem die Zahlung eines Urlaubs- und Weihnachtsgeldes, welches bis zum Ende des Jahres 2014, jeweils im Mai bzw. November zur Auszahlung fällig war.

Diese Sonderzahlungen entstanden jedoch nach dem Arbeitsvertrag bis Ende des Jahres 2014 nur dann in voller Höhe, wenn das Arbeitsverhältnis das gesamte Kalenderjahr über bestand, bzw. der Arbeitnehmer über das gesamte Jahr hinweg Bezüge der Arbeitgeberin erhielt; pro Kalendermonat, in dem kein Arbeitsverhältnis bestand oder der Arbeitnehmer keine Bezüge erhielt, verringerte sich die Höhe der Sonderzahlung um 1/12.

Mit Wirkung zum 1.1.2015 wurde die Fälligkeitsregelung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes insofern wirksam geändert, dass die Sonderzahlungen fortan zu je 1/12 monatlich ausgezahlt werden sollten. Dies setzte die Beklagte auch um, sodass die Klägerin in der Folge monatlich zu ihrem – unveränderten – Monatsgehalt, 1/12 der jeweiligen Jahressonderzahlungen erhielt. Die Beklagte zahlte keine separaten Jahressonderzahlungen mehr im Mai bzw. November 2015.

Gegen diese Regelung und Praktik wendete sich die Klägerin und war der Ansicht, dass ihr Monatsgehalt, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie etwaige Zuschläge auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von 8,50 Euro brutto pro Stunde geleistet werden müssten; eine Anrechnung auf den Monatslohn sei nicht zulässig.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung – bis auf einen geringen Betrag von 0,80 Euro bezüglich Nachtarbeitszuschlägen – zurückgewiesen.

Das Urteil

Die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Der 9. Senat entschied, dass die Klägerin aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf einen erhöhten Monatslohn, erhöhte Jahressonderzahlungen oder erhöhte Lohnzuschläge hat. Der gesetzliche Mindestlohn ist ein eigenständiger Anspruch, der neben die bisherigen Ansprüche tritt, diese jedoch nicht verändert.

Der Arbeitgeber erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn durch die Entgeltzahlungen, die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis die Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen. Diese Erfüllungswirkung fehlt nur solchen Zahlungen, deren Leistungszweck nicht in der Gegenleistung für Arbeitsleistung liegt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (zum Beispiel § 6 Abs. 5 ArbZG).

Da die Jahressonderzahlungen mit dem 1.1.2015 zu je 1/12 monatlich zur Auszahlung fällig waren und die Beklagte diese auch entsprechend zur Auszahlung brachte, kam ihnen auch Erfüllungswirkung hinsichtlich des Mindestlohnanspruches zu.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich damit, vorbehaltlich der noch zu veröffentlichenden Entscheidungsgründe, der Vorinstanz (LarbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Januar 2016 – Az.: 19 Sa 1851/15) angeschlossen.

Das LAG Berlin-Brandenburg führte unter anderem aus, dass Sonderzuwendungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nach der verlautbarten Vorstellung des Gesetzgebers Mindestlohnbestandteil sind, wenn die Auszahlung jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich erfolgt (vgl. Dt. Bundestag, Drucks. 18/1558, S.67). Zudem dürfte die Regelung, dass bei einem unterjährigen Ein- und Austritt eine bloß anteilige Zahlung erfolgen sollte, ein Indiz für den Gegenleistungszweck der Zahlungen gewesen sein.

Fazit

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dürften Jahressonderzahlungen immer dann auf den Mindestlohn anrechenbar seien, wenn sie monatlich ausbezahlt werden, sie endgültig im Vermögen des Arbeitnehmers verbleiben (also keine weiteren Voraussetzungen zum Behaltendürfen notwendig sind) und ihr Leistungszweck in der Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers liegt.

Nichts anderes dürfte für Zuschläge gelten. Nicht anrechenbar sind jedoch nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Nachtzuschläge. Das LarbG Berlin-Brandenburg hatte zur Begründung auf die besondere Formulierung in § 6 Abs.5 Arbeitszeitgesetz in Verbindung mit § 1 Mindestlohngesetz verwiesen. Die genaue Begründung des Bundesarbeitsgerichts bezüglich der Nachtzuschläge bleibt abzuwarten.

Quellen:

Pressemitteilung Nr. 24/16 des Bundesarbeitsgerichts: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&pm_nummer=0024/16

Verlinkung auf Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 12.01.2016 – Az.: 19 Sa 1851/15:
https://www.juris.de/jportal/portal/t/h5u/page/jurisw.psml?doc.hl=1&doc.id=KARE600048912&documentnumber=1&numberofresults=1&doctyp=juris-r&showdoccase=1&doc.part=K&paramfromHL=true#focuspoint

Autor:
Rechtsanwalt Kamil Niewiadomski
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