Androhung einer Krankmeldung nach Arbeitgeberweisung: Grund für außerordentliche fristlose Kündigung

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 21. Juli 2020 (Az. 8 Sa 430/19) entschieden, dass eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer als Reaktion auf eine Weisung des Arbeitgebers mit einer Krankmeldung droht. Ein außerordentlicher fristloser Kündigungsgrund liegt in diesem Falle auch vor, wenn der Arbeitnehmer dann tatsächlich erkrankt und die Weisung unwirksam ist. Denn allein die Drohung mit der Krankmeldung stellt eine kündigungsrelevante Nebenpflichtverletzung des Arbeitsverhältnisses dar.

DER FALL

Dieser Entscheidung liegt ein Streit zwischen den Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung und der Zahlung von Annahmeverzugslohn zugrunde. Zwischen den Parteien bestand seit August 2018 ein Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende. Als es Anfang Mai 2019 zwischen den Parteien zu Differenzen kam, stellte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer am 10. Mai 2019 für den 13. und 14. Mai 2019 von der Arbeit frei. Unter dem 13. Mai 2019 gab es ein Telefonat zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, in dem es um eine mögliche Vertragsaufhebung ging. Hinsichtlich der Vertragsaufhebung erwirkten die Parteien jedoch keine Einigung, weshalb der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu aufforderte, sich am 14. Mai 2019 „an seinem Arbeitsplatz zu einem Abstimmungsgespräch“ einzufinden. Dies lehnte der Arbeitnehmer mit den Worten ab, „er könne ja noch krank werden“. Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 erklärte der Arbeitgeber daraufhin die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses, hilfsweise die fristgerechte Kündigung zum 30. November 2019. Der Arbeitgeber sieht das Vertrauensverhältnis durch die Androhung der Krankmeldung als zerrüttet an. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage und trug vor, dass er – unstreitig – für den Zeitraum vom 14. Mai 2019 bis zum 17. Mai 2019 krankgeschrieben wurde. Die Kündigungsschutzklage erzielte weder vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen noch vor dem LAG Rheinland-Pfalz Erfolg.

DIE ENTSCHEIDUNG

Das LAG urteilte, dass die Androhung einer Krankmeldung als Reaktion auf eine Weisung auch dann eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB rechtfertige, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt und auch dann, wenn die Weisung rechtswidrig ist. Die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitgebers vom 13. Mai 2019 habe das Arbeitsverhältnis aufgelöst. In seinen Entscheidungsgründen bezieht sich das LAG Rheinland-Pfalz auf die Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 17. Juni 2003 – 2 AZR 123/02; Urteil vom 12. März 2009 – 2 AZR 251/07). Das BAG sieht einen wichtigen Grund darin, dass der Arbeitnehmer seine Interessen im Arbeitsverhältnis durch die rechtswidrige Drohung mit einem empfindlichen Übel gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen versucht und dadurch Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB verletze. Die rechtswidrige Drohung liege darin, dass der Arbeitnehmer eine unberechtigte Krankmeldung in Aussicht gestellt hat für den Fall, dass der Arbeitgeber die Weisung aufrechterhält. Nach dem BAG liege eine Verletzung der Rücksichtnahmepflichten bei der Ankündigung einer zukünftigen Erkrankung als Reaktion auf eine Weisung des Arbeitgebers vor. Dabei handele es sich um eine derart schwere Pflichtverletzung, die einem erpresserischen Verhalten gleichkomme, so dass eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Unwesentlich ist dabei, dass die Weisung des Arbeitnehmers in diesem Fall nicht von § 106 GewO gedeckt und damit unwirksam ist. Denn es komme ausschließlich auf die Art und Weise der Widersetzung des Arbeitnehmers an. Dem Arbeitgeber stand es schließlich frei, sich angemessen gegen die rechtswidrige Weisung zu wehren, beispielsweise durch Ersuchen des Rechtsweges. Das LAG Rheinland-Pfalz lehnte die Annahmeverzugslohnansprüche für die Zeit nach dem 14. Mai 2019 ab.

FAZIT UND PRAXISHINWEIS

Die zu begrüßende Rechtsprechung des LAG Rheinland-Pfalz unterstreicht die zuvor benannte Entscheidung des BAG in zutreffender Weise. Die Androhung mit einer Krankmeldung zeigt die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Verschaffung eines eigenen Vorteils, die Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu missbrauchen.

In einer solchen Erklärung des Arbeitnehmers liegt regelmäßig auch dann ein außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigungsgrund i. S. d. § 626 I BGB, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt, ebenso, wenn die Weisung des Arbeitgebers rechtswidrig ist.

Rechtsanwältin Sandra Schneider
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