Also doch: Dynamische Fortgeltung von Verweisungsklauseln nach dem Betriebsübergang

Entgegen der Stellungnahme des Generalanwalts hat der EuGH überraschenderweise entschieden, dass dynamische Verweisungsklauseln auch dann nach einem Betriebsübergang dynamisch fortgelten, wenn der Erwerber mangels Mitgliedschaft im entsprechenden Arbeitgeberverband keine Möglichkeit hat, auf den Inhalt des in Bezug genommenen Tarifvertrags Einfluss zu nehmen (EuGH, Urteil vom 27.04.2017, C-680/15; C-681/15). 

Ende Januar berichteten wir noch über das sich nach der Stellungnahme des Generalanwalts abzeichnende und für Arbeitgeber erfreuliche erwartete Ergebnis in den EuGH Verfahren C-680/15 und C-681/15: Newsticker vom 24.01.2017. Etwas überraschend hat der EuGH nun genau in die andere Richtung entschieden:

Enthält der Arbeitsvertrag der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer eine dynamische Verweisungsklausel auf Tarifverträge „in ihrer jeweils geltenden Fassung“, so bleibt die dynamische Wirkung der Verweisungsklausel erhalten. Sie wirkt auch dann nicht nur statisch – d.h. in Form eines Verweises auf die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltende Fassung des Tarifvertrags – fort, wenn das Arbeitsverhältnis auf einen Erwerber übergeht, der in dem Arbeitgeberverband, der diesen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft verhandeln kann, kein Mitglied ist und damit de facto keinen Einfluss auf den Inhalt des Tarifvertrags nehmen kann.

Betriebserwerber müssen also an Arbeitnehmer, die Arbeitsverträge mit dynamischen Verweisungsklauseln auf Tarifverträge haben, später eintretende Änderungen der Tarifverträge, insbesondere auch Tariflohnerhöhungen, weitergeben. Der EuGH verweist zur Beseitigung dieser Folge auf die Möglichkeiten der einvernehmlichen Vertragsänderung und Änderungskündigung, mit denen der Erwerber die Arbeitsverträge der auf ihn übergegangenen Arbeitnehmer ändern könne. Sofern das nationale Recht diese Möglichkeiten vorsehe, stehe das europäische Recht einer dynamischen Fortgeltung nicht entgegen. Jedenfalls die Pressemitteilung enthält jedoch keine Auseinandersetzung mit den hohen Hürden, die das deutsche Kündigungsschutzgesetz für die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung, insbesondere zur einseitigen Beseitigung einer dynamischen Verweisungsklausel, aufstellt. Einvernehmlich werden Arbeitnehmer, die von der dynamischen Fortgeltung profitieren, ohnehin nicht zu einer Änderung ihres Arbeitsvertrags bereit sein.

Fazit

Das Positive vorweg: Mit dieser Entscheidung dürfte für die Frage des Schicksals dynamischer Verweisungsklauseln nach einem Betriebsübergang nun Rechtssicherheit eingetreten sein. Unbefriedigend ist jedoch für den deutschen Rechtsanwender die Begründung des EuGH, der recht unproblematisch davon ausgeht, dem Betriebserwerber stehe die Möglichkeit zur Verfügung, per einvernehmlicher Vertragsänderung oder Änderungskündigung die dynamische Verweisungsklausel zu beseitigen.