Gesetz gegen Abmahnmissbrauch – umstrittener Gesetzesentwurf mit erheblichen Auswirkungen auf das UWG

Das Bundeskabinett hat am 15. Mai 2019 den Gesetzentwurf zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen. Ziel des Entwurfs soll es sein, missbräuchliche Abmahnungen zu verhindern.

Zu diesem Zweck sieht er ein Bündel an Maßnahmen vor, darunter erhöhte Anforderungen an die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen, das Verringern finanzieller Anreize für Abmahnungen sowie die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands im Wettbewerbsrecht.

Die Klagebefugnis

Eine der wichtigsten Änderungen betrifft die erhöhten Anforderungen an die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen nach dem UWG. Nach dem Gesetzentwurf soll künftig nicht länger jeder Mitbewerber befugt sein, sondern nur solche, die Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen. Wirtschaftsverbände müssen künftig auf einer Liste sogenannter qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen sein, die vom Bundesamt für Justiz geführt wird. Andere öffentlich-rechtliche Kammern und Gewerkschaften bleiben anspruchsberechtigt.

Regelbeispiele und die Vereinfachung von Gegenansprüchen

Der Abgemahnte soll sich gegen missbräuchliche oder sonst unberechtigte Abmahnungen mithilfe von Gegenansprüchen einfacher zu Wehr setzen können. Dazu sind einige Regelbeispiele vorgesehen, bei denen eine gesetzliche Vermutung für eine missbräuchliche Geltendmachung besteht, zum Beispiel wenn Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift geltend machen oder eine „erheblich überhöhte Vertragsstrafe“ verlangen.

Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs

Für bestimmte, besonders abmahnträchtige Bereiche sieht der Regierungsentwurf einen Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs vor. Der Anspruch auf die Kostenerstattung entfällt, wenn es sich um Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten handelt, die auf Telemedien begangen werden, oder um sonstige Verstöße gegen die DSGVO oder das BDSG durch Kleinstunternehmen sowie kleine Unternehmen.

Vertragsstrafen

Auch die Möglichkeiten im Hinblick auf Vertragsstrafen werden stark eingeschränkt. Unerhebliche einfache Verstöße dürfen mit maximal 1.000 Euro Strafe belegt werden. Unangemessen hohe Vertragsstrafen müssten nicht mehr gezahlt werden, sondern würden auf eine angemessene Höhe reduziert.

Das Ende des „fliegenden Gerichtsstands“

Das Institut des fliegenden Gerichtsstands wird massiv eingeschränkt. Vermeintliches Ziel soll sein, dass der Kläger gezielt ein Gericht wählt, das erfahrungsgemäß eher in seinem Sinn entscheiden wird oder besonders weit entfernt vom Sitz des Gegners entfernt liegt, und so dem Betroffenen die Rechtsverteidigung zu erschweren. Dieses Vorhaben wird insbesondere von Anwaltsseite erheblich kritisiert, da auf diesem Wege die langjährige Expertise von Spezialkammern an den Landgerichten verloren geht. Die besondere UWG-Sachkunde und Qualifikation der spezialisierten Kammern an bestimmten Landgerichten war in der Vergangenheit ein wichtiger Aspekt für eine klare Rechtsprechungslinie und kontinuierliche Fortentwicklung der Rechtsprechung in diesem vom klassischen case-law geprägten Bereich.

Designrecht: Reparaturklausel für Autoersatzteile

Zur Stärkung des Wettbewerbs bei formgebundenen Ersatzteilen komplexer Erzeugnisse, wie z. B. Automobilen soll eine Reparaturklausel eingeführt werden, die das Designrecht bei sichtbaren Ersatzteilen für Reparaturzwecke einschränkt und damit den Markt öffnet. Die Gesetzgebung zu Reparaturklauseln hat in den letzten Jahren bereits viel Aufmerksamkeit erregt.

Kritik

Der Gesetzentwurf wird bereits scharf kritisiert. Abmahnungen würden pauschal unter Missbrauchsverdacht gestellt und die Durchsetzung berechtigter Belange erschwert, so der Deutsche Anwaltsverein. Die große Abmahnwelle der DSGVO sei schließlich ausgeblieben, sodass aktuell kein Handlungsbedarf bestehe. Der Verlust des fliegenden Gerichtsstandes führt ohne zwingende Notwendigkeit zu einem Verlust der langjährigen Expertise von Spezialkammern an den Landgerichten im Bereich des UWG. Die Vorteile, die mit dem Gesetzesvorhaben erreicht werden sollen, dürften außer Verhältnis zu den dadurch eintretenden Nachteilen stehen.

Zurück
Prof. Dr. Ingo Jung

Prof. Dr. Ingo Jung

T: +49 221 95 190-60
ZUM PROFIL