EuGH: „Computersoftware“ als Oberbegriff „zu allgemein“?

Der High Court of Justice (UK) hat dem EuGH das Verfahren „Sky“ ./. „SkyKick“ (Rs. C-371/18) zur Vorabentscheidung u. a. mit der Frage vorgelegt, ob der von Sky für seine Marken in der Nizza-Klasse 9 beanspruchte Oberbegriff „Computersoftware“ hinreichend klar und präzise sei, um Markenschutz gewähren zu können. Hierzu hat der Generalanwalt im Oktober 2019 in seinen Schlussanträgen Stellung genommen und die hinreichende Präzision des Oberbegriffs verneint, was eine Teilnichtigkeit der Marke zur Folge hätte, sollte der EuGH den Schlussanträgen – wie sehr häufig – im Ergebnis folgen. Ein solches Urteil des EuGH würde dessen IP-Translator-Rechtsprechung fortsetzen und hätte weitreichende praktische Folgen für all jene Markeninhaber und -anmelder, die strategisch auf ein eher breites Waren- und Dienstleistungsverzeichnis setzen oder gesetzt haben und den Oberbegriff „Computersoftware“ ohne weitere Einschränkungen verwenden.

Zum Hintergrund

Es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass ein als Marke eingetragenes Zeichen automatisch von niemandem mehr für irgendein anderes Produkt verwendet werden darf.

Tatsächlich leitet eine eingetragene Marke ihren Schutzumfang aber aus der Kombination des eingetragenen Zeichens (z. B. Bild oder Wort) mit einer Liste her, in der Waren und Dienstleistungen benannt werden, für die das Zeichen ganz konkret Schutz genießen soll (sog. Waren- und Dienstleistungsverzeichnis).

Das registerrechtliche Nutzungsmonopol des Markeninhabers geht also nur so weit, wie er das Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen hat schützen lassen.

Für welche Waren und Dienstleistungen eine Marke Schutz genießen soll, muss bereits mit der Anmeldung entschieden werden. Erweiterungen des Schutzumfangs durch nachträgliche Hinzufügung von Waren oder Dienstleistungen sind nicht möglich. Wird eine Ware oder Dienstleistung vergessen, muss für diese eine vollständig neue Anmeldung eingereicht werden – mit allen Konsequenzen, wie z. B. erneutem Gebührenanfall und dauerhafter Parallelverwaltung über viele Jahre.

Konsequenterweise wollen Markenanmelder deshalb häufig möglichst viele und möglichst allgemeine Begriffe zur Umschreibung ihrer Waren und Dienstleistungen verwenden. Denn zum einen denken sie, sich so dauerhaft einen größeren Spielraum zur Gestaltung des eigenen Waren- und Dienstleistungsangebots unter dem Zeichen zu erhalten und zum anderen möglichst viele Felder zu besetzen, um Dritte von der Verwendung eines identischen oder ähnlichen Zeichens abzuhalten. In einigen Fällen werden Verzeichnisse auch in böser Absicht besonders weit gefasst, nämlich in dem Wissen, dass das Zeichen überhaupt nicht für die in Anspruch genommenen Waren oder Dienstleistungen verwendet werden soll, aber so Dritte in ihrem Nutzungsverhalten beschränkt werden können.

Viele Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse enthalten deshalb allein Oberbegriffe statt einer konkreten Beschreibung des Angebots, das vom jeweiligen Markeninhaber tatsächlich unter dem geschützten Zeichen präsentiert wird (z. B. „Musikinstrumente“ statt „Trompeten“).

IP-Translator

Einer ausufernden Monopolisierung von Zeichen auf Basis solch konturloser Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse wird auf unterschiedlichsten Ebenen entgegengewirkt. Besonders tiefgreifend sind die Änderungen, die auf das Urteil „IP-Translator“ (EuGH, Urt. v. 19.06.2012, Rs. C-307/10) folgten, mit dem der EuGH klarstellte, dass unter einen Oberbegriff nur solche Waren und/oder Dienstleistungen erfasst werden, die von dessen Wortsinn erfasst werden, und nicht alle Waren oder Dienstleistungen, die sich in der alphabetischen Liste finden, die zu der Nizza-Klasse gehören, die der Oberbegriff beschreiben soll. Trägt die Nizza-Klasse 15 also in der Klassenüberschrift den Oberbegriff „Musikinstrumente“ und führt in der alphabetischen Liste zur Klasse 15 aber auch „Notenständer“ oder „Stimmgeräte“ auf, gilt seit IP-Translator in der Anmeldepraxis in ganz Europa einheitlich: Schütze ich ein Zeichen für den Oberbegriff „Musikinstrumente“, sind die Notenständer und Stimmgeräte nicht mehr automatisch miterfasst, da sie nicht im Wortsinn „Musikinstrumente“ sind.

Mit dem Markenrechtsmodernisierungsgesetz wurde dies auf nationaler Ebene auch (positiv formuliert) ausdrücklich im Markengesetz verankert, in dem Art. 20 Abs. 5 MarkenG nun wie folgt lautet: „Die Verwendung allgemeiner Begriffe schließt alle Waren oder Dienstleistungen ein, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung des Begriffs erfasst sind.“

Fehlende begriffliche Präzision

Nach Auffassung des Generalanwalts in Sachen Sky ./. SkyKick fehlt es dem allgemeinen Begriff „Computersoftware“ an der nötigen Präzision, also der eindeutigen wörtlichen Bedeutung hinsichtlich bestimmter Waren, um als solcher den Schutzumfang einer Marke bestimmen zu können.

Die Ware „Computersoftware“ sei so allgemein, dass sie Waren umfasse, die zu variabel sind, um mit der Funktion der Marke als Herkunftsangabe vereinbar zu sein. „Computersoftware“ erfasse jeden Satz von aufgezeichneten digitalen Anweisungen, die zur Steuerung irgendeiner Art von Computer verwendet werden. Dies sei eine „enorme und enorm diffuse Produktpalette“. Ein berechtigtes kommerzielles Interesse eines einzelnen Markeninhabers an der Eintragung einer Marke, die praktisch für eine unbegrenzte Anzahl von „intelligenten“ Waren Schutz genießt, die Computersoftware beinhalten oder mit ihr geliefert werden, sieht der Generalanwalt nicht. Vor diesem Hintergrund sei auch die Markenanmeldung „Sky“ rechtswidrig, soweit sie Schutz für den Oberbegriff „Computersoftware“ in seiner Allgemeinheit beanspruche.

Bösgläubigkeit des Anmelders

Darüber hinaus stellt der Generalanwalt klar, dass eine Markenanmeldung, der es angesichts des immensen begrifflichen Bedeutungsumfangs einer in Anspruch genommenen Ware oder Dienstleistung erkennbar an einer umfassenden Benutzungsabsicht fehlen müsse, bösgläubig erfolge. Eine Marke sei deshalb zu löschen, wenn der Inhaber zum Registrierungszeitpunkt kein nachvollziehbares kommerzielles Interesse hatte, sie für bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu benutzen.

Folgen für die Praxis

Sollte der EuGH dem Generalanwalt in seinem Urteil folgen, hätte dies sowohl Auswirkung auf die Anmelde- und Eintragungspraxis als auch auf die Verteidigung gegen Markenverletzungen:

  • Neuanmeldungen sollten von Anfang an so konkret zugeschnitten sein, dass der Markeninhaber sicher sein kann, dass sein tatsächlicher oder geplanter Nutzungszusammenhang präzise erkennbar wird. Das gilt indes nicht nur für den Begriff „Computersoftware“ allein, sondern auch für andere Begriffe mit einem vergleichbar vielfältigen Bedeutungsumfang, wie z. B. Telekommunikationsdienstleistungen, Finanzdienstleistungen, Beratungsleistungen oder die Veröffentlichung.
  • Bestehende Verzeichnisse sollten geprüft werden, ob sie auf jene Waren und Dienstleistungen beschränkt werden, für die die Marke tatsächlich verwendet wird und in absehbarer Zukunft verwendet werden soll.
  • Kommt es zu einer markenrechtlichen Auseinandersetzung, sollte geprüft werden, ob die Gegenseite sich ggf. auf eine Marke stützt, die nichtig ist, soweit Waren oder Dienstleistungen geschützt werden, die in keinem Zusammenhang zu der eigenen Geschäftstätigkeit stehen, was (nach den Maßstäben des Generalanwalts) eine bösgläubige Markeneintragung indizieren würde.