Deutsche Pilze aus Holland: keine Irreführung bei gesetzlich vorgeschriebener Kennzeichnungsvorschrift

In Deutschland geerntete Champignons dürfen mit der Angabe „Ursprung: Deutschland“ vertrieben werden, selbst wenn wesentliche Wachstumsschritte im Ausland vollzogen und die Pilze erste wenige Tage vor der Ernte nach Deutschland transportiert werden. Auch wenn die Angabe „Ursprung: Deutschland“ beim Verbraucher eine Irreführung hervorrufe, weil er ihr entnehme, dass nicht nur die Ernte, sondern der gesamte Produktionsprozess in Deutschland stattgefunden habe, begründe dies wegen gesetzlicher Pflichten zur entsprechenden Kennzeichnung keine normative Irreführung. Dies entschied der BGH mit Urteil vom 16.01.2020 – I ZR 74/16 (Kulturchampignons II) nach entsprechender EuGH-Vorlage (C-686/17).

Verklagt wurde eine Produzentin von Kulturchampignons, die diese mit der Angabe „Ursprung: Deutschland“ vertreibt. Die Pilze werden in den Niederlanden in Kulturkisten gezogen. Nachdem eine ausreichende Fruchtgröße erreicht ist, erfolgt ein Transport der Kisten nach Deutschland, wo die Champignons kurz darauf geerntet werden. Die Wettbewerbszentrale hielt diese Herkunftsbezeichnung aufgrund der tatsächlichen Produktionsabläufe für irreführend und nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Der BGH bestätigte die klageabweisenden Urteile der beiden Vorinstanzen. Es liege weder ein Verstoß gegen die lebensmittelrechtlichen Irreführungsverbote noch gegen § 5 Abs. 1 UWG vor, da es sich bei der beanstandeten Ursprungsangabe um eine nach Art. 113a Abs. 1 der VO 1234/2007 und Art. 76 Abs. 1 der VO 1308/2013 erforderliche gesetzliche Pflichtangabe handele. Im Vorlageverfahren hatte der EuGH diesbezüglich entschieden, dass der Begriff „Ursprungsland“ in diesen Vorschriften nach dem Zollkodex bzw. Unionszollkodex auszulegen sei. Demnach ist Ursprungsland von frischem Gemüse das Ernteland. In Anwendung dieser Entscheidung stellte der BGH dazu abschließend fest, dass in einem solchen Fall das Kennzeichnungsrecht Normvorrang gegenüber dem UWG genieße und eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG daher auch dann nicht anzunehmen sei, wenn relevante Teile des Verkehrs die verwendete Bezeichnung falsch verstünden.