BGH – Zungenbett, Auslegung eines Patents

In einem Urteil vom 05.10.2016 (Az.: X ZR 21/15) hat sich der BGH  mit der Auslegung von Patentanspruchsmerkmalen auseinandergesetzt, wenn ein und derselbe technische Begriff gleich in mehreren Patentanspruchsmerkmalen verwendet wird.

Die Parteien stritten über die Verletzung eines deutschen Patents. Das Patent betraf eine Zungenvorrichtung für eine Weiche, insbesondere für Straßenbahngleise, aus einem aus einem Vollblock hergestellten, im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett, dadurch gekennzeichnet, dass der obere Teil der Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett aus einem Stahl hochfester Güte und der untere Teil der Zungenvorrichtung aus Baustahl besteht, wobei der obere Teil und der untere Teil miteinander verbunden sind (Originalwortlaut des Patentanspruchs).

Das Berufungsgericht hatte eine  Patentverletzung mit der Begründung verneint, dass der untere Teil der Zungenvorrichtung bei der angegriffenen Ausführungsform nicht aus einem Vollblock gewonnen, sondern durch Zusammenschweißen einzelner Profilteile hergestellt war. Das Berufungsgericht hatte die Merkmale „Zungenvorrichtung“ und „Zungenbett“ im Oberbegriff des Patentanspruchs synonym aufgefasst, während mit dem Begriff des „Zungenbetts“ im kennzeichnenden Teil nur ein Bestandteil der Zungenvorrichtung beschrieben wurde.

In einem parallelen Nichtigkeitsverfahren hatte das BPatG eine andere Auffassung vertreten. Nach dem BPatG bezog sich das „aus einem Vollblock hergestellt“ nur auf den oberen mit dem Zungenbett ausgestatteten Teil der Zungenvorrichtung.

Der BGH trat der Auslegung durch das Berufungsgericht entgegen und bejahte eine Patentverletzung. Er legte das Patent ausgehend von dem Begriff des Zungenbetts im kennzeichnenden Teil des Patenanspruchs aus. Gleiche Begriffe haben im Zusammenhang eines Patentanspruchs im Zweifel auch gleiche Bedeutung. Ein unterschiedliches Verständnis eines Begriffs im Oberbegriff und im Kennzeichen eines Patentanspruchs oder sonst in unterschiedlichen Zusammenhängen kommt nur dann in Betracht, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen ein solches Verständnis ergibt (Leitsatz der Entscheidung).

Im Ergebnis bezog der BGH das „aus einem Vollblock hergestellt“ alleine auf den oberen, das Zungenbett aufweisenden und aus einem Stahl hochwertiger Güte bestehenden Teil der Zungenvorrichtung. Die Formulierung im Oberbegriff des Patentanspruchs, nach der die Zungenvorrichtung „aus“ einem Zungenbett besteht, sei erkennbar missglückt („grammatikalisch unzulänglich“).

Die Entscheidung überzeugt in der Sache wie auch hinsichtlich der rechtlichen Begründung. Wenn einem technischen Begriff im Kontext unterschiedlicher Patentanspruchsmerkmale unterschiedliche Bedeutungen zugemessen werden sollen, dann ist der Rechtfertigungsdruck hoch. Sprachliche Ungereimtheiten stellen dabei keine unumstößliche Hürde dar und können bei der Auslegung kompensiert werden, wenn es das Patent in seiner Gesamtheit zulässt.