BGH – Fahrerlose Transportvorrichtung – späte Stellung von Hilfsanträgen im Patentnichtigkeitsverfahren

In einem Urteil vom 15.03.2022 (Az: X ZR 18/20) hat sich der BGH mit besonderen Konstellationen befasst, in dem der Pateninhaber noch zu einem späteren Stadium eines Nichtigkeitsverfahren neue Hilfsanträge stellen darf, ohne wegen Verspätung damit zurückgewiesen zu werden.

Grundsätzlich müssen Hilfsanträge, mit denen ein Patentinhaber das Patent eingeschränkt verteidigt, rechtzeitig vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung angekündigt werden. Neue Hilfsanträge in der Berufungsinstanz sind grundsätzlich unzulässig. Einer zügigen Reaktion des Patentinhabers bedarf es insbesondere, wenn sich die Notwendigkeit von Hilfsanträgen aus dem vorläufigen Hinweis gem. § 83 PatG ergibt, nach dem das Bundespatentgericht regelmäßig ca. zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung eine vorläufige Einschätzung zu dem Streitgegenstand gibt.

Jedoch kann ein Nichtigkeitsverfahren auch noch im weiteren Verlauf Wendungen erfahren oder besondere Schwierigkeiten mit sich bringen, sodass dem Patentinhaber bei einer späteren Reaktion durch weitere Hilfsanträge nicht unbedingt der Vorwurf der nachlässigen Verfahrensführung gemacht werden kann.

Solche Fälle hat der BGH in der o. g. Entscheidung in Form der folgenden Leitsätze der Entscheidung hervorgehoben:

a) Die Beklagte eines Patentnichtigkeitsverfahrens hat in der Regel keinen Anlass zur Stellung von Hilfsanträgen zur Abgrenzung vom Stand der Technik, wenn das Patentgericht in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis die vorläufige Auffassung äußert, der Gegenstand des Streitpatents sei patentfähig.

b) Legt die Klägerin nach einem solchen Hinweis eine Vielzahl neuer Entgegenhaltungen vor, muss die Beklagte überprüfen, ob das ergänzende Vorbringen zu einer anderen Beurteilung führen könnte und ggf. auch geeignete Hilfsanträge stellen. Wenn sich hierbei eine Vielzahl von technischen Gesichtspunkten als potenziell relevant erweist, kann es aber nicht ohne Weiteres als nachlässig angesehen werden, wenn die Beklagte einem einzelnen Gesichtspunkt durch ihre erstinstanzlichen Hilfsanträge nicht Rechnung getragen hat.

c) Hilfsanträge, die einer aus dem erstinstanzlichen Urteil ersichtlichen Auslegung des Streitpatents Rechnung tragen sollen, sind grundsätzlich innerhalb der Frist für die Berufungsbegründung zu stellen. Später gestellte Anträge sind zu berücksichtigen, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert.

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Dr. Martin Quodbach, LL.M.

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