Innerbetriebliche Umkleide- und damit verbundene Wegezeiten können vergütungspflichtige Arbeitszeit sein; das wurde bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden (zuletzt BAG, Urteil vom 25.04.2018 – 5 AZR 245/17). Jetzt hatte das Bundesarbeitsgericht sich mit der Frage zu beschäftigen, ob das auch für Körperreinigungszeiten – also Duschen und Waschen - gilt (BAG, Urteil vom 23.04.2024 – 5 AZR 212/23). Die Antwort lautet, es kommt drauf an.
Der Fall
Ein Containermechaniker verlangte von seiner Arbeitgeberin Vergütung für Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten. Der klagende Arbeitnehmer ist bei der Beklagten für das „In-Ordnung-Bringen“ von Containern zuständig und schleift dabei u. a. rostige und schadhafte Stellen ab und lackiert diese nach. Dabei wird er mitunter, trotz der von seiner Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Arbeits- und Schutzkleidung, sehr schmutzig. Nach getaner Arbeit wäscht oder duscht er sich im Umkleideraum und zieht erst danach seine private Kleidung wieder an. Seine verschmutzte Arbeitskleidung lässt er auf Anweisung seiner Arbeitgeberin im Betrieb zur Reinigung zurück. Im Zeiterfassungsterminal gibt er weisungsgemäß Beginn und Ende der Schicht exklusive Duschen und Umkleiden ein. Der Kläger ist der Auffassung, dass auch das Duschen/Waschen und Umkleiden sowie der dazugehörige Weg vergütungspflichtig seien und ihm deshalb Entlohnung für arbeitstäglich 55 Minuten mehr zustünde. Die Beklagte hingegen meint, dass die Arbeitszeit erst am Arbeitsplatz beginne und dort auch ende. Das Duschen sei weder angewiesen noch aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zur neuen Verhandlung an das Landesarbeitsgericht Nürnberg zurückverwiesen, weil es an tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zur Veranschlagung von Umkleide- und Körperreinigungszeiten fehlt. Letzteres hatte dafür 21 Minuten pro Tag veranschlagt. Das BAG stellte aber fest, dass für Körperreinigungszeiten dieselben allgemeinen Kriterien gelten, die für Umkleidezeiten durch die Rechtsprechung entwickelt wurden. Körperreinigungszeiten sind danach als Arbeitszeit anzusehen, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängen und deshalb ausschließlich der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dienen.
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang liegt zunächst vor, wenn der Arbeitgeber die Körperreinigung ausdrücklich anordnet oder sie aus hygienischen Gründen zwingend vorgeschrieben ist, z. B. bei Arbeitnehmern in sterilen Laboren.
Der Arbeitnehmer kann aber auch dann einen Anspruch auf Vergütung für Zeiten zum Duschen oder Waschen haben, wenn er bei der Arbeit so schmutzig wird, dass es ihm unzumutbar ist, ohne vorherige Reinigung seine private Kleidung anzuziehen und ungewaschen den Weg nach Hause anzutreten, sei es mit dem eigenen PKW oder durch Nutzung des ÖPNV. In diesem Fall ist die Körperreinigung notwendiger Bestandteil der Arbeit und damit fremdnützig. Duscht der Mitarbeiter jedoch nur, um die üblichen Verunreinigungen, Schweiß- und Geruchsbildung des Tages zu entfernen, so dient dies lediglich seinem Wohlergehen. Eine Reinigung, die nur zur Befriedigung privater Interessen erfolgt, ist nicht ausschließlich fremdnützig und damit auch nicht vergütungspflichtig.
Das Fazit
Durch die vorliegende Entscheidung ist nun nicht nur das Umkleiden, sondern auch die Körperreinigung durch Waschen oder Duschen höchstrichterlich entschieden. Es ist allerdings trotzdem sinnvoll klare Absprachen zu treffen, um eine rechtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Denn obwohl es Kriterien dazu gibt, wann Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit einzustufen sind, ist diese Feststellung im Einzelfall komplex und höchst individuell.
Deshalb wurde die Sache vorliegend auch an das Landesarbeitsgericht Nürnberg zur neuen Verhandlung zurückverwiesen. Denn das BAG ist der Auffassung, dass die durch das LAG durchgeführte Schätzung der Zeiten für Umkleiden und Körperreinigung rechtsfehlerhaft war. So habe das LAG beispielsweise die Variabilität des Umkleidevorgangs in Bezug auf die Privatkleidung je nach Jahreszeit unberücksichtigt gelassen. Außerdem sei für die Feststellung der erforderlichen Zeiten zu beachten, an welchen Tagen, welche Tätigkeit, in welcher Schutzkleidung ausgeführt wurde und zu welchen spezifischen Verschmutzungen diese geführt haben. Die Erforderlichkeit der Reinigung des Körpers – sei es durch Duschen oder nur durch das Waschen der Hände, Arme und des Oberkörpers – sei abhängig vom arbeitstäglichen Grad der Verschmutzung.
Es macht deswegen Sinn im Arbeitsvertrag oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung unmissverständliche Regelungen zu treffen. Denn solche können einen möglichen späteren Rechtsstreit über die Anrechnung von Arbeitszeiten vermeiden. Wir unterstützen Sie gerne bei der Formulierung entsprechender Klauseln.
Friederike Schmidt
Rechtsanwältin
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