BGH: Irreführung durch falsche Nährwertangabe auf Knuspermüsli

Der BGH ändert seine Rechtsprechung hinsichtlich der parallelen Anwendbarkeit von § 3a UWG und § 5a UWG bei Verstößen gegen unionsrechtliche Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation. Dazu sah er sich im Rahmen einer neuen Entscheidung (BGH, Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 143/19 – Knuspermüsli II) aufgrund der am 28.05.2022 in Kraft getretenen Änderungen des UWG veranlasst.

Sachverhalt

Die Beklagte ist Herstellerin des nachstehend abgebildeten vorverpackten Lebensmittels „Dr. O. Vitalis Knuspermüsli Schoko + Keks“:

Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände.

Eine der Schmalseiten der Verpackung des Müslis enthält unter der Überschrift „Nährwertinformationen“ Angaben zum Brennwert und enthaltenen Nährstoffen des Produkts, dies bezogen auf 100 g des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs – also des reinen Müslis – und zum anderen auf eine Portion des zubereiteten Lebensmittels, bestehend aus 40 g des Produkts und 60 ml Milch mit einem Fettgehalt von 1,5 %. Auf der Vorderseite (dort unten rechts, vgl. vorstehendes Bild) werden die Angaben zum Brennwert und den enthaltenen Nährstoffen einer Portion des Produkts (40 g Müsli und 60 g Milch) wiederholt, wie nachstehend abgebildet:

 

 

Der Kläger ist der Ansicht, dass diese vorstehenden Angaben auf der Vorderseite des Produkts gegen die Lebensmittelinformationsverordnung („LMIV“) verstießen, da der Brennwert dort nicht bezogen auf 100g des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs angegeben ist.

Die Abmahnung des Klägers gegen die Beklagte blieb erfolglos. Auf die darauf erhobene Klage vor dem Landgericht wurde die Beklagte zur Unterlassung der oben gezeigten Aufmachung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Mit der Revision beantragt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt neben der Zurückweisung der Revision hilfsweise, ihr im Falle des Unterliegens eine Aufbrauchfrist zum Abverkauf der fehlerhaften Verpackungen zu gewähren.

Entscheidung des BGH

Der BGH gab der Revision statt, wies die Berufung zurück und lehnte den Antrag auf Gewährung einer Aufbrauchfrist ab.

Dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1 Satz 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG a. F. gegen die Beklagte zu.

Die Unlauterkeit sei jedoch nicht nach § 3a UWG, dem Rechtsbruchtatbestand, sondern allein § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG a. F. zu beurteilen (bzw. §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG n. F.).
Insoweit ändert der BGH mit der Entscheidung seine vormalige Rechtsprechung, dass § 3a UWG und § 5a Abs. 2, 4 UWG a. F. im Rahmen von Verstößen gegen unionsrechtliche Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation ohne Bestehen eines Konkurrenzverhältnisses nebeneinanderstünden. Denn zuvor habe zwischen den Normen kein Wertungswiderspruch bestanden, die Anwendungsbereiche hätten sich in unschädlicher Weise überschnitten, was aber hinzunehmen gewesen sei.

Diese Gleichrangigkeit der Prüfung könne aber in Fällen der Verletzung unionsrechtlicher Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation nicht mehr beibehalten werden. In diesen Fällen sei die Unlauterkeit nunmehr allein nach § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG a. F. zu beurteilen.

Dies liege an der Einführung von § 9 Abs. 2 Satz 1 UWG n. F., der am 28. Mai 2022 in Kraft trat.

Dieser neue Schadensersatzanspruch für Verbraucher wurde als Umsetzung von Art. 11a Abs. 1 Satz 1 der RL (EU) 2019/2161 eingeführt. Die Vorschrift bestimmt, dass, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und Verbraucher hierdurch zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten, ihnen zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet ist. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 UWG gilt dies aber insbesondere nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach § 3a UWG. Dadurch ergebe sich, dass aufgrund von § 9 Abs. 2 Satz 2 UWG n. F. eine Verletzung von § 5a Abs. 2, 4 UWG a. F. potentiell weitergehende Rechtsfolgen auslöst als eine Verletzung von § 3a UWG.

Anders als nach der bisherigen Rechtslage sei es also so, dass das Schutzniveau nach § 3a UWG und § 5a Abs. 2, 4 UWG a. F. bei der Verletzung unionsrechtlicher Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation nicht mehr identisch sei, da eine Unlauterkeit nach § 3a UWG keine Schadensersatzpflicht gegenüber Verbrauchern auslöse. Ein Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben sei daher nur vermeidbar, wenn in den betroffenen Fällen allein § 5a Abs. 2, 4 UWG a. F. (bzw. neuerdings § 5a Abs. 1 UWG i. V. m. § 5b Abs. 4 UWG n. F.) zur Anwendung kämen.

Die Voraussetzungen von § 5a Abs. 2, 4 UWG a. F. seien vorliegend erfüllt. Den Verbrauchern würden wesentliche Informationen vorenthalten, da die Nährwertangaben auf der Vorderseite nicht der LMIV entsprächen. Der EuGH habe im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, welches der BGH im Rahmen dieses Verfahrens initiiert hatte, festgestellt, dass Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV – danach können die Nährwertangaben u. U. auf das zubereitete Produkt bezogen angegeben werden – dahin auszulegen sei, dass diese Bestimmung allein für Lebensmittel gelte, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist. Vorliegend sei aber keine Zubereitungsweise zwingend vorgegeben. Daher fände diese Vorschrift keine Anwendung, sodass die Angaben bezogen auf 100 g des Müsli hätten angegeben werden müssen. Die vorenthaltenen Angaben seien auch wesentlich und das Vorenthalten dieser Informationen erheblich für die Verbraucher im Sinne des § 5a UWG a. F.

Praxishinweis

Zu beachten ist im Zusammenhang mit dieser Entscheidung, dass zum 28.05.2022 einige Änderungen im UWG in Kraft getreten sind, sodass beispielsweise der vom BGH angewendete Unlauterkeitstatbestand des § 5a Abs. 2, 4 UWG a. F. nunmehr in §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG n. F. zu finden ist.

Die Änderung der Rechtsprechung ist zu begrüßen, da anderenfalls aufgrund des neu eingeführten Schadensersatzanspruchs für Verbraucher in § 9 Abs. 2 UWG n. F. Diskrepanzen zwischen § 3a UWG und § 5a UWG auftreten könnten. Von der Änderung der Rechtsprechung sind aber nicht Informationspflichten erfasst, die nicht die kommerzielle Kommunikation betreffen. Ein Verstoß gegen solche Informationspflichten kann weiterhin nach § 3a UWG beurteilt werden.

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Prof. Dr. Markus Ruttig

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