Freie Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes versus produktneutrale Ausschreibung

Die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes auf der einen Seite und die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung auf der anderen Seite stehen häufig in einem Spannungsverhältnis. Wann und wie konkret darf ein Auftraggeber unter Berufung auf sein Leistungsbestimmungsrecht eine bestimmte Produktion, Herkunft oder Marke oder ein besonderes Verfahren vorgeben und dadurch den Wettbewerb einschränken oder sogar ganz verhindern? Mit dieser – nicht neuen, aber immer wieder relevanten - Fragestellung hat sich das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 31.05.2017 – VII Verg 36/16 (Drohnen) beschäftigt.

Sachverhalt

Ausgangspunkt für die Entscheidung war ein Ausschreibungsverfahren der Bundesrepublik Deutschland für bewaffnungsfähige Drohnen. Aufgrund des derzeit akuten Bedarfs sollten insbesondere eine schnelle Einsatzfähigkeit und Verfügbarkeit bei der Auswahl entscheidungserheblich sein. Nach einer eingehenden Marktanalyse legte sich die Bundesrepublik anhand dieser Kriterien auf das Modell Heron TB eines israelischen Rüstungsherstellers fest und wollte diesem im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb den Auftrag erteilen.

Dieses Vorgehen wurde von einem US-amerikanischen Drohnenanbieter gerügt, der seinen Nachprüfungsantrag mit einer Verletzung des Grundsatzes der Produktneutralität gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VSVgV und einem daraus resultierenden Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz begründete. Nach Ablehnung des Antrags durch die Vergabekammer des Bundes hatte das OLG Düsseldorf über die eingelegte sofortige Beschwerde zu entscheiden.

Entscheidung

Und hat dies zugunsten der Auftraggeberin getan! Der Vergabesenat bestätigte die beabsichtigte produktspezifische Ausschreibung und wies die sofortige Beschwerde zurück.

Dabei stellt das OLG sehr sauber gegenüber, dass öffentliche Auftraggeber vom Ansatz her bei ihrer Beschaffungsentscheidung ungebunden sind. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine dem Vergaberecht entzogene, vorgelagerte Entscheidung, da dieses nicht die Wahl des Beschaffungsgegenstandes, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung regelt. Dennoch unterliegen Auftraggeber bei der Bestimmung im Interesse des Wettbewerbsgrundsatzes und der Warenverkehrsfreiheit bestimmten durch das Vergaberecht gezogenen Grenzen.

Diese Beschränkungen ergeben sich abschließend aus den jeweiligen Regelungen zur produktneutralen Ausschreibung, die eine Produkt-/Markenvorgabe o. Ä. nur dann zulassen, wenn sie durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Hieran und an seine frühere Rechtsprechung anknüpfend hält das OLG eine Spezifizierung immer dann für gerechtfertigt und räumt der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes den Vorrang vor dem Wettbewerbsgrundsatz ein, wenn

  • die Spezifizierung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,
  • vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,
  • solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind,
  • und die Spezifizierung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.

Diese Voraussetzungen waren auch bei der Drohnenbeschaffung der Bundesrepublik erfüllt. Die rasche Verfügbarkeit und schnelle Einsatzfähigkeit sowie der geringere Beschaffungsaufwand sind nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe, die auch tatsächlich vorliegen und die Festlegung auf das israelische System zu tragen vermögen.

Praxishinweis

Die Entscheidung überzeugt durch ihre Klarheit und ist so gleichzeitig dazu geeignet, die Problematik des Widerstreits zwischen freier Wahl des Beschaffungsgegenstandes und dem Grundsatz der Produktneutralität den Auftraggebern neu ins Gedächtnis zu rufen als ihnen auch eine Leitlinie zur Entscheidungsfindung an die Hand zu geben.

Darüber hinaus lässt sich die vom Senat gewählte Begründung auch auf andere Gebiete – wie z. B. Beschaffungen im IT-Bereich – übertragen. Bereits früher hat das OLG entschieden, dass ein Auftraggeber kein signifikant höheres Risiko eingehen muss und seine Beschaffung auf ein bestimmtes Produkt beschränken darf, wenn hierdurch im Interesse der Systemsicherheit und Funktion eine wesentliche Verringerung von Risikopotentialen (z. B. Fehlfunktionen, Kompatibilitätsprobleme, höherer Umstellungsaufwand) bewirkt wird. Jetzt wurde ergänzend klargestellt, dass auch eine – objektiv notwendige – schnellere Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit sowie eine einfachere, weil technisch kompatiblere Bedienung und Nutzung solche Gründe sein können.

Gebietsübergreifend ist dabei immer der Grundsatz im Kopf zu behalten: Je stärker die Wettbewerbseinschränkung, desto strenger sind die Anforderungen an die Rechtfertigung!