Drittbieterschützende Wirkung der Vorschriften über die Aufklärung ungewöhnlich niedriger Angebote

Der BGH hat mit Beschluss vom 31.01.2017 (X ZB 10/16) im Rahmen einer Divergenzvorlage entschieden, dass die Regelungen über die Aufklärung ungewöhnlich niedriger Angebote drittbieterschützende Wirkung haben, ohne dass es hierzu des Vorliegens weiterer Voraussetzungen bedürfte.

Der Fall

Die Berliner Feuerwache führte eine Beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb zur Gestellung von Notärzten für das Land Berlin durch. Eine Bieterin nahm den ihr von der Vergabestelle mitgeteilten Preis der Bieterin, deren Angebot bezuschlagt werden sollte, zum Anlass, diesen als ungewöhnlich niedrig zu beanstanden. Die Vergabekammer erachtete den Nachprüfungsantrag für unzulässig, da die Vorschrift über die Aufklärung ungewöhnlich niedriger Preise keine drittbieterschützende Wirkung entfalte. Der mit der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin befasste Vergabesenat teilt die Ansicht der Vergabekammer, sieht sich an einer Zurückweisung der sofortigen Beschwerde aber durch die abweichende Rechtsprechung des OLG Saarbrücken gehindert.

Die Entscheidung

Der BGH rückt in seinem Divergenzbeschluss von der bisher in den Vergabesenaten vorherrschenden Ansicht ab, wonach den Regelungen über die Aufklärung ungewöhnlich niedriger Preise drittbieterschützende Wirkung nur zukommen soll, soweit das ungewöhnlich günstig erscheinende Angebot Ausdruck wettbewerbswidriger Praktiken ist. Die Regelung über die Aufklärung ungewöhnlich niedriger Angebote versteht der BGH als Konkretisierung des Wettbewerbsgrundsatzes, sodass Mitbewerber einen Anspruch auf die Prüfung des Angebotspreises durch den Auftraggeber haben können. Für die Schlüssigkeit eines entsprechenden Nachprüfungsantrags lässt es der BGH genügen, wenn der Bieter Umstände darlegt, welche die Unangemessenheit des Preises indizieren. Dabei beurteilt er die Ablehnung des Zuschlags als grundsätzlich geboten, sollte dem Auftraggeber keine zufriedenstellende Aufklärung der geringen Höhe des angebotenen Preises gelingen.

Folgen für die Praxis

Der Beschluss des BGH bedeutet eine Kehrtwende für die bisher vorherrschende vergaberechtliche Rechtsprechung und erleichtert es Bietern, sich gegen ungewöhnlich niedrige Preise von Mitbewerbern durchzusetzen. Gleichzeitig gibt sie öffentlichen Auftraggebern wertvolle Hinweise für den richtigen Umgang mit den vergaberechtlichen Regelungen zur Aufklärung ungewöhnlich niedriger Preise.