Das Ende der Schulnotenrechtsprechung? Der BGH spricht ein Machtwort

Seitdem das OLG Dresden mit Divergenzvorlage vom 02.02.2017 - Verg 7/16 dem BGH eine Rechtssache vorgelegt hat, in der es galt, die Transparenz eines Schulnotensystems zu beurteilen, ist die Grundsatzentscheidung des BGH zu einer der umstrittensten Fragestellungen des Vergaberechts der letzten Zeit mit Spannung erwartet worden

Jetzt hat der BGH ein Machtwort gesprochen. Mit Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17 – haben die Richter in Karlsruhe entschieden, dass sowohl der Transparenz- als auch der Wettbewerbsgrundsatz in der Regel einer Bewertungsmethode nicht entgegenstehen, bei der der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen nähere Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängen soll.

Sachverhalt

Der Entscheidung zugrunde lag ein Vergabeverfahren über Rahmenverträge für Postdienstleistungen. Als Zuschlagskriterien waren mit jeweils 50 % der Preis und die Qualität der Leistung angegeben. Für letztere waren drei Unterkriterien mit jeweils zugeordneten Prozentwerten gebildet worden: 1. Schwankungen im Sendungsaufkommen/Auftragsspitzen (15 %), 2. Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung (25 %) und 3. Zustellzeiten (10 %), wobei das zweite Kriterium in den Vergabeunterlagen noch einmal in vier Unterpunkte aufgegliedert wurde. Die schriftlichen Darstellungen in den Konzepten der Bieter sollten mit Punkten auf einer Skala von ungenügend (0 Punkte) über mangelhaft (1 Punkt), ausreichend (2 Punkte), befriedigend (3 Punkte) und gut (4 Punkte) bis hin zu sehr gut (5 Punkte) bewertet werden.

Streitig war, ob diese Form der Bewertung mit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf als intransparent und damit vergaberechtswidrig einzustufen sei, da zwar Unterkriterien gebildet wurden, ohne weitergehende diesbezügliche Erläuterungen für die Bieter jedoch nicht im Vorhinein erkennbar sei, welchen Erfüllungsgrad die Angebote bezüglich einzelner Qualitätskriterien aufweisen müssen, um mit den jeweils festgelegten Punkten bewertet zu werden.

Entscheidung

Mit seiner Entscheidung bestätigt der BGH die Rechtmäßigkeit der gewählten Bewertungsmethode. Anders als es das OLG Düsseldorf in einigen im Grundsatz vergleichbaren Fällen gesehen hat, hält der BGH die hier für die qualitative Bewertung der Angebote gemachten Vorgaben für hinreichend transparent. Anhand der gebildeten Unterkriterien in Zusammenschau mit weiteren Informationen in den Vergabeunterlagen könnten die Bieter sich ein hinreichend konkretes Bild von den Erwartungen des Auftraggebers machen.

Dagegen sei es zweckwidrig und widerspreche dem Sinn einer Ausschreibung mit Konzeptabfrage, der Vergabestelle aufzuerlegen, den Bietern Lösungskomponenten direkt oder mittelbar vorzugeben. Auf diese Weise würde man die Vergabestelle zwingen, ein partiell anderes Verfahren durchzuführen als es ihrer Intention entspricht und Aufgaben zu übernehmen, deren Lösung gerade auf die Bieter übertragen werden sollte.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BGH sorgt für Klarheit und gibt den Vergabestellen wieder mehr Spielraum bei der Verwendung qualitativer Zuschlagskriterien. Nachdem teilweise ganz auf die Abfrage von Konzepten verzichtet worden war, können öffentliche Auftraggeber jetzt grundsätzlich wieder auf Schulnoten zur Bewertung zurückgreifen.

Allerdings ist auch in Zukunft Vorsicht geboten. Denn gänzlich kann auf erläuternde Unterkriterien und Informationen in den Vergabeunterlagen im Hinblick auf den Transparenzgrundsatz auch in Zukunft nicht verzichtet werden. Auch lässt der BGH eine Hintertür offen, indem er am Ende der Entscheidung betont, dass bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände (z. B. besonders komplexer Auftragsgegenstände) im Einzelfall auch vielschichtige Wertungskriterien erforderlich sein können.

Zudem ist insbesondere bei der Verwendung qualitativer Kriterien und „weicherer“ Wertungsschemata wie Schulnoten eine sorgfältige Durchführung und Dokumentation des Wertungsprozesses unerlässlich. Die (ex-post-)Transparenz muss jederzeit gewährleistet sein.