OLG Düsseldorf konkretisiert Schulnotenrechtsprechung

Mit Beschluss vom 02.11.2016 (Az.: VII-Verg 25/16) hat das OLG Düsseldorf seine Rechtsprechung zu der Transparenz von Bewertungssystemen in Vergabeverfahren bestätigt und konkretisiert.

Mit Spannung war erwartet worden, wie das OLG Düsseldorf auf das TNS Dimarso-Urteil des EuGH (Urteil vom 14.07.2016 – C 6/15) reagiert, mit dem dieser im Juli entschieden hatte, dass eine Vergabestelle nicht verpflichtet ist, die Bewertungsmethode den Bietern mitzuteilen. Ebenso hatte der EuGH keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Bewertung geäußert, die Qualität und Preis jeweils mit 50 % gewichtet und für das Qualitätsmerkmal eine Skala aus den drei Erfüllungsgraden „hoch“, „ausreichend“ und „niedrig“ vorsah. Er kritisierte lediglich, dass es die beschriebene Vorgehensweise offenbar nicht ermöglicht habe, Qualitätsunterschiede der Angebote im Verhältnis zu ihren Preisen widerzuspiegeln und dabei die Gewichtung der einzelnen Zuschlagskriterien zu beachten. Das widerspricht dem Grundsatz, dass die Bewertungsmethode nie eine Änderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken darf.

Die Entscheidung wird seitdem heftig diskutiert und teilweise als nicht verallgemeinerungsfähig, häufig aber auch als klarer Widerspruch zu der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf verstanden, das seit 2015 eine Bewertung nach Schulnoten als intransparent und vergaberechtswidrig eingeordnet und die Veröffentlichung ausdifferenzierter Bewertungsmethoden bereits mit den Vergabeunterlagen fordert (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.2015 – VII-Verg 25/15; Beschluss vom 16.05.2016 – Verg 49/15).

Davon lässt sich das OLG Düsseldorf jedoch nicht beirren. In seiner aktuellen Entscheidung hält das Gericht mit deutlichen Worten an der Schulnotenrechtsprechung fest, ohne das EuGH-Urteil überhaupt zu erwähnen. Ein reines Schulnotensystem im Vergabeverfahren gestatte aufgrund seiner völligen Unbestimmtheit und Intransparenz willkürliche Bewertungen des Auftraggebers und erzeuge die Gefahr von Manipulationen. In einem Nebensatz dehnt das Gericht diese Vorgaben zudem auch auf den Unterschwellenbereich aus.

Insbesondere für Auftraggeber interessant ist jedoch, dass das OLG neben seinen grundsätzlichen Erwägungen erstmals eine funktionale Bewertungsmatrix als vergaberechtsmäßig und mit den von ihm aufgestellten strengen Transparenzanforderungen vereinbar beurteilt.

Ausgeschrieben waren Aufträge über „Assistierte Ausbildung“, wozu die Bieter u. a. Konzepte einreichen sollten. Für deren Bewertung hatte die Vergabestelle mehrere Wertungsbereiche gebildet und die dortigen Erfüllungsgrade (0 – 3 Punkte) jeweils durch Subkriterien ausdifferenziert.

So sollte beispielsweise hinsichtlich der „Strategie für die Teilnehmer“ ein Angebot 2 Punkte erhalten, das folgende Voraussetzungen erfüllte:

      „Erläuterungen zur Unterstützung der Teilnehmer (wie und womit) sind vorhanden. Die Unterstützungsleistung ist konkret
     beschrieben und lässt einen Ausbildungsabschluss erwarten.“

Diese Aufgliederung sieht das OLG Düsseldorf als einen Beispielsfall an, wie öffentliche Auftraggeber bei (teil-)funktionalen Ausschreibungen ein Punktesystem durch funktionale Unterkriterien zulässig ausfüllen können. Die Bieter könnten so den bei den jeweiligen Punktestufen geforderten Erfüllungsgrad erkennen.

Anmerkung

Die Entscheidung ist zum einen von allgemeinem Interesse, da sie zwar noch zum alten Recht ergangen ist, dennoch aber nahelegt, dass das OLG Düsseldorf beabsichtigt, auch bei Geltung des neuen Vergaberechts an seiner strengen Schulnotenrechtsprechung festzuhalten und diese zudem konkretisiert.

Zum anderen erstaunt die völlige Außerachtlassung des EuGH-Urteils. Auch dieses ist noch zum alten Recht ergangen, dürfte aber auch für zukünftige Fälle Bedeutung haben und seine Gültigkeit nicht vollständig verlieren. Früher oder später wird es sich daher auch für das OLG Düsseldorf kaum vermeiden lassen, sich mit den Vorgaben des EuGH auseinanderzusetzen und seine Rechtsprechung an diesem Maßstab zu überprüfen.

In der Praxis ist Auftraggebern jedenfalls bis dahin aber weiterhin zu raten, ihre Bewertungsmethode mit den Vergabeunterlagen bekanntzugeben und so genau wie möglich zu beschreiben, worauf es ihnen bei der Bewertung ankommt. Ein großer Fortschritt ist jedoch, dass mit der neuen Entscheidung jetzt zumindest Anhaltspunkte dafür bestehen, wie auch nach dem OLG Düsseldorf eine Bewertung von Konzepten weiterhin rechtlich zulässig und möglich ist.