Bei der Festsetzung der Kreisumlage ist unmittelbar das Recht auf finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden zu beachten – Landkreise haben einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Land

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. September 2016 (Az.: 3 KO 94/12) festgestellt, dass die Erhebung der Kreisumlage des Landkreises Nordhausen gegenüber der kreisangehörigen Stadt Bleicherode im Jahr 2007 rechtswidrig war, da diese hierdurch in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt wurde. Die Auffassung des Senats ist ausdrücklich auch im Rahmen der seit 2013 grundlegend novellierten Kommunalfinanzierung zu beachten. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Der Fall

Streitgegenstand war der gegenüber der klagenden Stadt Bleicherode ergangene Kreisumlagebescheid des beklagten Kreises aus dem Jahr 2007. Die Klägerin führte an, dass sie durch die Umlageerhebung in ihrem Recht auf finanzielle Mindestausstattung verletzt sei, da die Kreisumlage geeignet sei, eine unzumutbare Belastung der Finanzkraft der Klägerin zu bewirken, so dass sie die Möglichkeit zur kraftvollen eigenverantwortlichen Betätigung verliere. Die Klägerin legte dar, dass die Gesamtsumme ihrer Aufwendungen für freiwillige Leistungen lediglich weniger als fünf Prozent des Verwaltungshaushalts ausmache. Das Gebot der finanziellen Mindestausstattung sei bereits dann verletzt, wenn die Klägerin in nur einem Umlagezeitraum nicht in der Lage sei, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Eine „erdrosselnde Wirkung“ der Umlageerhebungen im Sinne einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit sei für einen verfassungswidrigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung nicht erforderlich.

Die Entscheidung

In der dem oberverwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrunde liegenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Weimar (Az.: 3 K 1020/09 We) hat sich das erkennende Gericht deutlich auf der Seite der Klägerin positioniert. Es hat klargestellt, dass die Gemeinden keine „staatlichen Filialunternehmen“ seien, die nur „eine standardisierte Struktur kommunaler Pflichtaufgaben abzuarbeiten“ hätten. Die „dem Kernbereich der Selbstverwaltung zugehörige […] finanzielle Mindestausstattung ist als absolut geschützte Untergrenze nicht ‚verhandelbar‘, unterliegt also keinen Relativierungen durch andere öffentliche Belange. Wird sie […] nicht gewährt, ist das Selbstverwaltungsrecht verletzt, ohne dass dies durch andere Gründe als verhältnismäßig gerechtfertigt sein könnte. […] Die Gewährleistung der finanziellen Mindestausstattung steht also nicht unter dem Vorbehalt der Leistungskraft des Landes, sondern ist leistungskraftunabhängig.“ Zudem führt das Verwaltungsgericht aus, dass das verfassungsmäßige Recht der Klägerin auf finanzielle Mindestausstattung unmittelbar gegenüber dem beklagten Landkreis zum Tragen kommt. Sollte der Landkreis dadurch selbst in seinem ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf ausreichende Finanzausstattung verletzt werden, so hat er sich an das Land zu halten.

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat nun das vorinstanzliche Urteil bestätigt. Soweit sich der Pressemitteilung des Gerichts entnehmen lässt, haben die Landkreise unmittelbar auf der Stufe des Erlasses von Satzungen über die Kreisumlage das Recht der kreisangehörigen Gemeinden auf angemessene Finanzausstattung zu berücksichtigen. Sollte ein Landkreis mangels struktureller Unterfinanzierung der kreisangehörigen Kommunen seinen eigenen Finanzbedarf nicht decken können, so hat er gegenüber dem Land grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch.

Anmerkung

Das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts ist eine der wenigen aktuellen obergerichtlichen Entscheidungen zum kommunalen Finanzausgleich, die das Recht der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung gegenüber dem Land stärkt. Vor dem Hintergrund, dass der Thüringische Verfassungsgerichtshof die verfassungsrechtlich verbürgte finanzielle Mindestausstattung der Kommunen nicht unter einen Vorbehalt der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt hat, war es nicht überraschend, dass sich das Verwaltungsgericht Weimar in der ersten Instanz dieser Rechtsprechung angeschlossen hat. Es hat darüber hinaus betont, dass auch die Landkreise dieses unverhandelbare Recht unmittelbar bei der Festsetzung ihrer Kreisumlage zu beachten haben. Der Verweis auf die eigene desolate Haushaltslage im Rahmen der Begründung einer Erhöhung der Kreisumlage bleibt den Landkreisen somit verwehrt. Sie müssen sich im Falle der eigenen Unterfinanzierung an das Land wenden. Bemerkenswert ist, dass das Gericht für eine Klage gegen einen Umlagebescheid keine dauernde Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit forderte, sondern lediglich auf die unzureichende Finanzausstattung im betreffenden Umlagezeitraum abstellte. Ob sich das Oberverwaltungsgericht dieser letztgenannten Auffassung angeschlossen hat, wird die schriftliche Urteilsbegründung zeigen, die mit Spannung erwartet werden kann.

Rechtsanwalt Martin Busch
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