Update Vertriebskartellrecht: „Nach Coty ist vor Coty“, oder: Wie geht es weiter mit dem Onlinevertrieb?

Am 2. Oktober 2018 hat das Bundeskartellamt auf seiner Webseite in der Schriftenreihe „Wettbewerb und Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft“ eine Stellungnahme zur EuGH-Entscheidung „Coty“ veröffentlicht und darin zahlreiche praxisrelevante Fragen zum Verhältnis Onlinevertrieb durch Händler und Gestaltungsmacht der Hersteller aufgeworfen („Wettbewerbsbeschränkungen im Internetvertrieb nach Coty und Asics – wie geht es weiter?“, Bundeskartellamt, 2. Oktober 2018).

Hintergrund

Bekanntlich hat der EuGH in der Rechtssache Coty entschieden, dass bei „Luxuswaren“ zum einen ein selektives Vertriebssystem eingerichtet werden darf und zum anderen im Rahmen dieses selektiven Vertriebssystems auch Verbote für die beteiligten Händler, die Waren über „Drittplattformen“ im Internet zu vertreiben, aufgenommen werden dürfen. Über das Verfahren und seine Konsequenzen haben wir bereits hier und hier berichtet.

Auch wenn der EuGH damit – jedenfalls soweit „Luxusprodukte“ betroffen sind – die grundsätzliche Frage („Geht das überhaupt?“) beantwortet hat, sind zahlreiche Fragen immer noch ungeklärt.

Stellungnahme des Bundeskartellamts wirft Fragen auf

Einige der noch ungeklärten Fragen hat nunmehr das Bundeskartellamt in einer am 2. Oktober 2018 veröffentlichten Stellungnahme aufgegriffen.

Auf der Webseite des Bundeskartellamtes ist die Stellungnahme „Wettbewerbsbeschränkungen im Internetverrieb nach Coty und Asics – wie geht es weiter?“ – frei abrufbar. Die Internetseite des Bundeskartellamts finden Sie über diesen Link.

Das Bundeskartellamt wirft mit Blick auf die genannten Entscheidungen namentlich folgende aus Sicht des Bundeskartellamts offene Fragen auf bzw. formuliert den eigenen Standpunkt dazu:

  • Die Aussagen des EuGH in der Entscheidung „Coty“ sind auf Luxusprodukte beschränkt. Nach Auffassung des Bundeskartellamts können die Ausführungen der nicht ohne weiteres auf andere (auch hochwertige) Marktprodukte übertragen werden. Der EuGH habe auch nicht etwa selbst eine Definition von Luxusprodukten vorgenommen. Der EuGH habe weiter die noch vom Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vorgenommene Gleichstellung von Luxuswaren und Qualitätswaren gerade nicht übernommen. Daraus folgt für das Bundeskartellamt, dass das Markenimage bei (hochwertigen) Markenprodukten regelmäßig wohl keinen vollständigen Ausschluss des Vertriebs über Internetplattformen rechtfertigen kann, da das Markenimage regelmäßig durch konkrete Qualitätsforderungen an den Marktplatzvertrieb hinreichend geschützt werden könne bzw. durch die Vorgabe, dass der Händler auf dem Marktplatz mit einem eigenen Online-Shop vertreten ist und nicht zusammen mit anderen Händlern über eine gemeinsame Produktseite verkauft. Ein pauschales Marktplatzverbot sei insoweit bei (hochwertigen) Markenprodukten in aller Regel nicht erforderlich.
  • Weiter hatte der EuGH geurteilt, dass ein Verbot des „Plattformvertriebs“ bei Luxusprodukten auch keine Kernbeschränkung nach Art. 4 der Vertikal-GVO sei. Das Bundeskartellamt wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, was aus diesen Maßstäben folge, wenn statt eigener Webshops unter der Nutzung allgemeiner Suchmaschinen, wie Google, die Online-Marktplätze (also die Drittplattformen) der wichtigste Absatzkanal der konkret in Rede stehenden Händler sind (oder jedenfalls werden können). In einem solchen Fall könne die deutlich verringerte Auffindbarkeit eines Händlers im Internet für „Internetkäufer“ aufgrund eines generellen Plattformverbots doch auf ein Passivverkaufsverbot i.S.d. Art. 4 der Vertikal-GVO hinauslaufen. Auch insoweit bleibe also nach der Entscheidung des EuGH ein Raum, der weiterer Ausdifferenzierung bedarf.

Die aktuelle Veröffentlichung des Bundeskartellamts zeigt, dass die bereits in unserem Beitrag zur Entscheidung des EuGH in Sachen Coty aufgeworfenen Fragen, die sich nach der Entscheidung des EuGH stellen, auch seitens der Kartellbehörden gesehen worden sind. Vor diesem Hintergrund gilt: Es bleibt spannend!