LG Tübingen: Einführung von Negativzinsen auf Geldanlagen für Privatkonten per AGB (manchmal) unzulässig

Das LG Tübingen hat entschieden, dass es rechtswidrig ist, für verschiedene Geldanlagen in laufenden Vertragsbeziehungen über den Preisaushang Negativzinsen zu erheben.

Der Fall:

Die verklagte Bank teilte ihren Kunden mit, dass für bestimmte Angebote künftig negative Zinsen fällig würden. Hierzu erstellte sie einen entsprechenden Preisaushang. Die klagende Verbraucherzentrale mahnte die Bank ab und forderte sie auf, Negativzinsen für bestimmte Tages- und Festgeldkonten von Privatkunden zurückzunehmen. Sie verlangte diesbezüglich die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Letztere verweigerte die Bank, woraufhin die Verbraucherzentrale Unterlassungsklage erhob.

Die Entscheidung:

Das Landgericht Tübingen gab der Klage statt. Die verwendeten Klauseln seien rechtswidrig. Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank, mit denen bei Sicht-, Termin- und Festgeldeinlagen im Verhältnis zu Verbrauchern Negativzinsen eingeführt würden, seien jedenfalls dann nach § 307 BGB unwirksam, wenn davon auch Altverträge erfasst würden, die ohne eine Entgeltpflicht des Kunden geschlossen worden seien. In diesen Fällen bewirke der Übergang von einer positiven Verzinsung zu einem Negativzins eine Änderung des Vertragscharakters hin zu einer Umkehr der Zahlungspflichten. Weil die beanstandeten Preisaushänge Altverträge nicht von der Negativverzinsung ausnähmen, erstrecke sich die Unwirksamkeit jeweils auf die gesamte Klausel. Gleichwohl stellten die verwendeten Klauseln bezogen auf Neuverträge echte Preisabreden dar, die einer gerichtlichen Inhaltskontrolle grundsätzlich entzogen seien. Mit seiner Entscheidung versagt das Gericht der Bank daher keineswegs dauerhaft die Einführung von Negativzinsen.

Bewertung:

Angesichts der gerichtlichen Ausführungen zur Zulässigkeit von Negativzinsen bei Neuverträgen erscheint die Überschrift, mit der die klagende Verbraucherzentrale ihre Pressemitteilung zum Urteil versah („Einführung von Negativzinsen auf Geldanlagen für Privatkonten per AGB unzulässig“) recht weitgehend und beinahe schon irreführend. Bezogen auf Altverträge überzeugen die gerichtlichen Erwägungen. Da die Bank unrentabel gewordene Sparverträge grundsätzlich kündigen kann (zum Bausparvertrag vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2017, Az. XI ZR 185/16), ist ein überragendes Bedürfnis, ihren Wesensgehalt nachträglich durch AGB abzuändern, ohnehin nicht erkennbar. Demgegenüber erscheint zweifelhaft, ob die Annahme des LG Tübingen zutrifft, die fraglichen Klauseln ließen sich rechtlich nicht in eine (dann zulässige) Regelung für Neuverträge und eine (unzulässige) Regelung für Altverträge aufteilen. Bei Gaslieferungsverträgen etwa teilt der BGH ein und dieselbe Preisklausel hinsichtlich der Neuverträge in eine (kontrollfreie) Vereinbarung über den Anfangspreis und in eine (kontrollfähige) Preisanpassungsklausel hinsichtlich der Altverträge auf (BGH, Urteil vom 14. Mai 2014, Az. VIII ZR 114/13). Im betrachteten Fall hätte die Annahme einer entsprechenden Teilbarkeit dem (für sich genommen zulässig) vereinbarten neuen Vertragsprinzip einer entgeltlichen Verwahrung zur Geltung verholfen. So aber muss die verklagte Bank fürchten, dass auch Neukunden die vereinbarten Zahlungen nachträglich zurückverlangen.

LG Tübingen, Urteil vom 26. Januar 2018, Az. 4 O 187/17- juris