BGH entscheidet erneut über die rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts

Der BGH hat mit Urteil vom 07.11.2017 – XI ZR 369/16 erneut darauf hingewiesen, dass es für die Frage der rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.

Ausgangslage

Im zu entscheidenden Fall nahm der Kläger die Beklagte nach Widerruf seines Darlehensvertrags auf Rückzahlung seiner geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen in Anspruch. Die Klage blieb im Instanzenzug ohne Erfolg.

Der BGH stellte im Ausgangspunkt bei der zu prüfenden rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts klar, dass Änderungen der Verhältnisse nach zunächst wirksam ausgeübtem Widerruf dessen weitere Geltendmachung rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen können. Denn nach zutreffender Auffassung des Senats kommt es für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit auf die Umstände des Einzelfalls bei Schluss der mündlichen Verhandlung an. Ein zunächst wirksam erklärter Widerruf des Verbrauchers kann mithin nachträglich unzulässig werden. Die Beurteilung obliegt dem Tatrichter.

Der BGH verwies die Sache dennoch zurück an das Berufungsgericht. Dabei stellte der BGH mit Verweis auf sein Urteil vom 12.7.2016 – XI ZR 564/15 – noch einmal klar, dass der Widerruf – so aber die Begründung des OLG Frankfurt a. M. – nicht schon allein deshalb rechtmissbräuchlich sei, weil er nicht aufgrund des vom Gesetz intendierten Schutzzwecks – Schutz vor Übereilung – erfolgte, sondern durch die momentane Niedrigzinsphase am Markt motiviert war.

Gleichwohl wiederholt der Senat seine bereits mit Beschluss vom 14.03.2017– XI ZR 160/16 – vertretene Auffassung, die Ausübung des Widerrufs sei im Einzelfall aber durchaus dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht schlicht dazu einsetzt, um günstigere Vertragskonditionen zu erwirken.

So führt der BGH u.a. aus:

„[Es ist] revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls aus dem Umstand, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht dazu einsetzt, um günstigere Vertragskonditionen zu erwirken, auf die Rechtsmissbräuchlichkeit seines Tuns schließt.“

Praxisfolgen

Einmal mehr hat sich der BGH gegen schematische Lösungen zur Frage der rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts ausgesprochen, wobei er den Vorinstanzen zur Vornahme der notwendigen einzelfallbezogenen Wertung weiterhin einen erheblichen tatrichterlichen Beurteilungsspielraum einräumt. In einem Rechtsstreit sollten die Parteien daher für sie sprechende Besonderheiten des Einzelfalls sowohl vor als auch nach erfolgtem Widerruf unbedingt herausarbeiten und vortragen.

Rechtsanwalt Dr. Maik Kirchner
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