Widerruf von Verbraucherimmobiliardarlehen rechtsmissbräuchlich, wenn der Widerruf nicht dem Zweck der gesetzlichen Anordnung entspricht

Mit Beschluss vom 11.07.2017 – XI ZR 366/16 -  hat der BGH die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 12.07.2016 – 13 U 104/15 - zurückgewiesen. Dabei betonte der BGH, dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg habe, da das Berufungsgericht bei der Subsumtion unter § 242 BGB die konkreten Umstände des Einzelfalls hinreichend in den Blick nahm.

Ausgangslage

Die Entscheidung des BGH entfacht erneut die Diskussion, ob es eine gemäß § 242 BGB unzulässige – weil dem Normzweck des Widerrufsrechts widersprechende – Rechtsausübung darstellt, wenn der Verbraucher einen Immobiliardarlehensvertrag erst widerruft, nachdem das marktübliche Zinsniveau für solche Darlehen weit unter den Vertragszins gefallen ist, obwohl er das mit den Mitteln des Darlehens erworbene Grundeigentum weiterhin zu eigenen Zwecken nutzt und sich der von ihm mit der Bank vereinbarte Festzins im Rahmen des seinerzeit marktüblichen Zinsniveaus bewegte.

Genau mit dieser Argumentation hat das Hanseatische Oberlandesgericht – wie vor ihm u. a. schon das OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.2016 – 6 U 296/14 – den Klägern die wirksame Ausübung des Widerrufsrechts versagt, die nun auch vom BGH bestätigt wurde.

So führt das Berufungsgericht auf den S. 6 und 7 des Urteils aus:

[…]

„Ein Widerruf eines Darlehensvertrages aufgrund eines ewigen Widerrufsrechts [ist] dann rechtsmissbräuchlich, wenn mit ihm objektiv Zwecke verfolgt werden, die mit dem eigentlichen Grund seiner gesetzlichen Anordnung nichts zu tun haben, sondern objektiv schlicht der Zweck verfolgt wird, die grundsätzlich eigentumskräftig geschützte Rechtsposition der Bank aus dem Vertrag zu entwerten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verbraucher einen Immobilien-Darlehensvertrag erst nach Jahren widerruft, nachdem ein stark absinkendes Zinsniveau diesen Widerruf wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lässt.

Denn in der Tat dient der Widerruf in einer solchen Konstellation nicht mehr dem Schutz der Privatautonomie des Verbrauchers vor den Folgen einer übereilten Entscheidung durch Ausgleich seiner bei Vertragsschluss gegenüber der Bank unterlegenen Verhandlungsposition, der Widerruf soll hier vielmehr das Risiko einer bestimmten, bei Vertragsschluss nicht vorhergesehenen wirtschaftlichen Entwicklung auf die Bank abwälzen.

[…]

Jedenfalls ist nicht vorgebracht worden, dass die Kläger sich etwa unüberlegt oder vorschnell zum kreditfinanzierten Erwerb einer Immobilie entschlossen hätten.“

Die Entscheidung des BGH, die Nichtzulassungsbeschwerde unter Berücksichtigung der vom Hanseatischen Oberlandesgericht dargelegten Argumentation zurückzuweisen, ist deshalb von besonderer Brisanz, als der BGH noch im Urteil XI ZR 564/15 zu verstehen gab, dass es auf den Schutzzweck des Widerrufsrechts nicht ankomme.

Praxisfolgen

Der nunmehr vorliegende Beschluss könnte ein – überfälliges – Umdenken zur Frage des Rechtsmissbrauchs eingeläutet haben.

Die Instanzrechtsprechung wird sich jedenfalls künftig mit dieser Entscheidung des BGH unter Zugrundelegung der Urteilsgründe des Hanseatischen Oberlandesgerichts im Rahmen des rechtsmissbräuchlichen Ausübens des Widerrufrechts eines Verbrauchers auseinandersetzen müssen.

Rechtsanwalt Dr. Maik Kirchner
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