Bundeskartellamt: Entwurf der Hinweise zur vertikalen Preisbindung veröffentlicht

Am 25.01.2017 hat das Bundeskartellamt seine mit Spannung erwarten Hinweise zum Preisbindungsverbot veröffentlicht. Interessierte Kreise haben die Möglichkeit, bis zum 10.03.2017 Stellungnahmen zum vorliegenden Entwurf abzugeben (Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 25.01.2017).

Hintergrund

Seit Ende 2014 haben mehrere spektakuläre Kartellfälle große öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Zu nennen sind etwa das Verfahren im Süßwarenbereich, das Verfahren bzgl. Röstkaffee sowie das ebenfalls großes Öffentlichkeitsinteresse findende Verfahren zum sog. „Bierkartell“. Gemein haben diese Fälle, dass sie sämtlich „vertikale Konstellationen“ betrafen, m.a.W. nach Auffassung des Bundeskartellamts kartellrechtswidrige Absprachen zwischen Herstellern und Handelsunternehmen. Namentlich nahm das Amt in nahezu allen Fällen Verstöße gegen das sog. Preisbindungsverbot an, d. h. die Hersteller und die betroffenen Handelsunternehmen haben sich in mutmaßlich kartellrechtswidriger Weise über die Weiterverkaufspreise der Handelsunternehmen verständigt (sog. „Preisbindung der zweiten Hand“, da der Händler in seiner Preisgestaltung nicht mehr frei ist).

Die genannten Verfahren sind Teil des insgesamt im Lebensmitteleinzelhandel angesiedelten sog. „Vertikalfalls“, der seinerseits eine Vielzahl an einzelnen Kartellverfahren umfasst und in welchem insgesamt über 150 Millionen Euro Bußgelder verhängt wurden (nicht alle Bescheide wurden rechtskräftig).

Die Problematik: Was darf zwischen Hersteller und Händler überhaupt (noch) besprochen werden?

Gerade im Lebensmitteleinzelhandel sind jedoch Verständigungen zwischen Händler und Hersteller über bestimmte Modalitäten der Weiterverkaufsgestaltung gang und gäbe. Man denke nur an die regelmäßig, zumeist während der Jahreskonditionengespräche, geführten Verhandlungen etwa über Sonderaktionen seitens der Händler, Werbekostenzuschüsse seitens der Hersteller etc. Insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel herrscht daher auf Grund des sog. „Vertikalfalls“ große Rechtsunsicherheit, der die nunmehr im Entwurf vorgelegten Hinweise zum Preisbindungsverbot entgegenwirken sollen. Namentlich sollen die Hinweise, insbesondere die Leitlinien der Europäischen Kommission zu vertikalen Beschränkungen ergänzen und den Unternehmen der Branche anhand von Praxisbeispielen Zweck und Reichweite des Preisbindungsverbots näher erläutern.

Auch über den Bereich des Lebensmitteleinzelhandels hinaus werden die Hinweise auch ebenfalls Ausstrahlungswirkung für die Beurteilung „vertikaler Sachverhalte“ entfalten.

Zum Entwurf der Hinweise

Die nunmehr im Entwurf vorgelegten Hinweise des Bundeskartellamts gliedern sich in vier Teile. Einer Einleitung folgend wird zunächst der rechtliche und ökonomische Hintergrund des grundsätzlich absoluten Preisbindungsverbots im deutschen und europäischen Kartellrecht vorangestellt.

Von wesentlichem Interesse dürfte sodann der dritte Teil sein. Hier finden sich Hinweise des Bundeskartellamts zur kartellrechtlichen Beurteilung von in der Praxis häufig vorkommenden Gestaltungen bzw. Verhandlungsinhalten.

An dieser Stelle sollen lediglich zwei Gesichtspunkte gesondert hervorgehoben werden. Das Amt setzt sich relativ ausführlich mit der nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel häufig vorkommenden „unverbindlichen Preisempfehlung“ auseinander. Die vom Bundeskartellamt angeführten Beispiele machen den schmalen Grad, auf dem Hersteller und Händler wandeln, wenn sie über unverbindliche Preisempfehlungen des Herstellers sprechen, nochmals deutlich. Als Fazit kann insoweit festgehalten werden, dass eine unverbindliche Preisempfehlung tatsächlich „unverbindlich“ sein muss, auch wenn sich dies nach einer Binsenweisheit anhört. Jede Ausübung von Druck (etwa „keine weitere Belieferung, wenn UVP um mehr als X% unterschritten wird“) oder das Setzen von Anreizen, die die „Unverbindlichkeit“ in Frage stellen könnten (etwa sogenannte „Preispflegerabatte“), führen unmittelbar zur Gefahr einer kartellrechtswidrigen Absprache. Insbesondere bei „Preispflegemaßnahmen“ gilt es also, höchst aufmerksam beziehungsweise vorsichtig zu sein.

Von großer praktischer Relevanz dürften auch die Ausführungen des Bundeskartellamts zur sog. Spannengarantie bzw. entsprechenden Nachverhandlungen sein. Auch hier macht das Bundeskartellamt anhand von mehreren Beispielen die Grenze zwischen seiner Auffassung nach kartellrechtskonformem und kartellrechtswidrigem Verhalten deutlich.

Rat für die Praxis

Auch wenn die Hinweise des Bundeskartellamts weder für Gerichte noch für andere Behörden verbindlich sind, werden sie in der Praxis eine Richtschnur sein, an welcher sich Unternehmen ausrichten sollten, um „unangenehmen Besuch“ des Bundeskartellamts zu vermeiden. Zudem zeigen die Hinweise zum Preisbindungsverbot nicht nur für Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch darüber hinaus, dass gerade das Verbot der vertikalen Preisbindung ernst genommen werden sollte. Die ganz erheblichen Bußgelder, die das Bundeskartellamt in den eingangs genannten Fällen verhängt hat, sollten insoweit Warnung genug sein.

In der Praxis kann daher nur dazu geraten werden, Maßnahmen der Preispflege bzw. des Preismanagements stets mit einer kartellrechtlichen Selbstbeurteilung zu verbinden und bei Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen. Wie die nunmehr im Entwurf vorliegenden Hinweise des Bundeskartellamts zeigen, ist der Grat zwischen einer kartellrechtlich gerade noch erlaubten Verhaltensweise und einer kartellrechtlich unzulässigen Einflussnahme auf den Weiterverkaufspreis im Einzelfall durchaus schmal.

Es bleibt abzuwarten, in welchem Maße die seitens des Amst erbetenen Stellungnahmen interessierter Kreise noch zu weiterer Präzisierung der Hinweise beitragen werden.

Der Entwurf der Hinweise zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels kann hier abgerufen werden.