BGH zum Verbraucherdarlehensvertrag

Verwirkung des Widerrufsrechts auch vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungs(höchst)fristen möglich.

Zuweilen widerrufen Verbraucher längst abgelöste Darlehensverträge unter Verweis darauf, dass die ihnen bei Vertragsschluss erteilte Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation fehlerhaft oder unvollständig gewesen sei. Dahinter steht meist der Wunsch, ein im Zuge der Ablösung gezahltes Vorfälligkeitsentgelt zurückzuerhalten oder nachträglich Nutzungsersatz für die während der Vertragslaufzeit geleisteten Raten zu realisieren. Die Kreditinstitute halten den Verbrauchern dann regelmäßig entgegen, dass die Geltendmachung des Widerrufsrechts geraume Zeit nach Ablösung des Darlehens illoyal verspätet, das Recht mithin verwirkt sei. Bislang hatten sich Verbraucher hiergegen oftmals mit dem Argument verteidigt, eine Verwirkung komme nicht in Betracht, weil das Kreditinstitut angesichts der erst mit Kenntnis des Berechtigten einsetzenden Regelverjährung von drei Jahren grundsätzlich bis zum Ablauf der zehnjährigen Verjährungshöchstfrist gemäß § 199 Abs. 4 BGB damit rechnen müsse, dass es im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag noch in Anspruch genommen werde.

Dem ist der BGH nunmehr entgegengetreten und hat ein Berufungsurteil des OLG Stuttgart, das der verklagten Bank den Verwirkungseinwand mit entsprechender Begründung versagt hatte, aufgehoben. Der BGH rügte, das OLG Stuttgart habe dem Umstand, dass die Parteien die Darlehensverträge einverständlich beendet hätten, unzutreffend kein Gewicht beigemessen, und hob (erneut) hervor, dass die maßgebliche Frist für das Zeitmoment der Verwirkung bereits mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags anlaufe, nicht erst mit der Ablösung des Darlehens. Je länger der Inhaber des Rechts untätig bleibe, desto mehr werde der Gegner in seinem Vertrauen schutzwürdig, das Recht werde nicht mehr ausgeübt werden. Dafür ließen sich aber keine festen Fristen angeben. Da das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht anders als die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche nicht verjähre, könne aus den gesetzlichen Verjährungshöchstfristen nicht auf ein „Mindestzeitmoment“ zurückgeschlossen werden. Die Sache sei zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der BGH einer tatrichterlichen Würdigung der für eine Subsumtion unter § 242 BGB maßgeblichen Umstände nicht vorgreifen könne.

Einmal mehr hat sich der BGH bei der Frage, wann der Verbraucher sein Widerrufsrecht verwirke, gegen schematische Lösungen und starre Fristen ausgesprochen, wobei er den Vorinstanzen zur Vornahme der notwendigen einzelfallbezogenen Wertung weiterhin einen erheblichen tatrichterlichen Beurteilungsspielraum einräumt. In einem Rechtsstreit sollten die Parteien daher, auch wenn es sich bei der Darlehensvergabe an Verbraucher um ein Massengeschäft handelt, etwaige für sie sprechende Besonderheiten des Einzelfalles unbedingt herausarbeiten und vortragen.

(BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017, Az. XI ZR 393/16)