Update: Beteiligung Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen

Auch das Arbeitsgericht Herne hat nunmehr entschieden, dass bei der beabsichtigten Kündigung eines schwerbehinderten Menschen die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Antragstellung an das Integrationsamt abgeschlossen sein muss (Arbeitsgericht Herne, 03.07.2018, Az. 3 Ca 294/18).

Hintergrund

Wir berichteten bereits über die Änderungen im SGB IX und der notwendigen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch von Kündigungen gegenüber schwerbehinderten Menschen bzw. schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Personen. Zwar gab es im Nachgang zur Novellierung des Schwerbehindertenrechts einige Kommentierungen und Aufsätze zu den neuen Regelungen, das Jahr 2017 war allerdings noch weitgehend „gerichtsentscheidungsfrei“. Dies änderte sich im Jahr 2018 mit den Entscheidungen des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.03.2018, Az. 5 Ca 1902/17, und dem Urteil des LAG Sachsen vom 08.06.2018, Az. 5 Sa 458/17.

Arbeitsgericht Herne folgt Arbeitsgericht Hagen

Das Arbeitsgericht Herne schloss sich nun unter ausdrücklicher Bezugnahme dem Arbeitsgericht Hagen an, ferner entspricht die Entscheidung des Arbeitsgerichts Herne auch den Ausführungen des Sächsischen Landesarbeitsgerichts. Konkret führte das Arbeitsgericht Herne aus, dass die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor dem Antrag an das Integrationsamt bereits abgeschlossen sein muss.

Im konkreten Fall unterrichtete die Arbeitgeberin sowohl den zuständigen Personalrat als auch die zuständige Schwerbehindertenvertretung am selben Tag, an dem sie den Antrag an das Integrationsamt versandte. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Herne hätte die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Bekanntwerden der Kündigungsgründe erfolgen müssen und auf Grund des gesetzlichen Wortlauts sowie Sinn und Zweck der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung schon vor dem Antrag an das Integrationsamt abgeschlossen worden sein müssen. Sinn und Zweck der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist die Einflussnahme der Schwerbehindertenvertretung auf die Willensbildung des Arbeitgebers bezüglich der beabsichtigten Kündigung. In dem Moment, in dem der Arbeitgeber den Antrag auf Zustimmung an das Integrationsamt stellt, hat er nach Ansicht des Arbeitsgerichts Herne seine Willensbildung im Hinblick auf die Entscheidung zur Kündigung bereits abgeschlossen. Eine gleichzeitige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung genüge deshalb nicht.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Herne folgt einem aktuellen roten Faden in der Rechtsprechung und trifft die wohl auch herrschende Meinung in der Literatur. Arbeitgeber müssen sich bewusst machen, dass sie vor der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen bzw. eines schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Person einen „formellen Hindernislauf“ bewältigen müssen. Dieser wird bei außerordentlichen Kündigungen, bei denen die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sowie die Frist des § 174 Abs. 2 SGB IX zu berücksichtigen sind, auch in zeitlicher Hinsicht erschwert. Daher sollte sich jeder Arbeitgeber den unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung notwendigen Abläufen vor Ausspruch einer Kündigung bewusst sein.

Wir empfehlen nach Kenntnis der kündigungsbegründenden Umstände die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat bzw. den Personalrat unverzüglich und zeitgleich zu beteiligen. Es ist zwar nicht gesetzlich notwendig, den Betriebsrat in einer solch früheren Phase zu beteiligen; da die Anhörungen allerdings im Wesentlichen inhaltsgleich sein dürften, sprechen praktische Gründe für das vorgenannte Vorgehen. Nach Stellungnahme oder Ablauf der Stellungnahmefristen (nach aktuell herrschender Meinung gelten die 3- bzw. 7-Tages-Fristen auch für die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung) sollte dann vor dem Antrag an das Integrationsamt der Schwerbehindertenvertretung noch mitgeteilt werden, ob man an der Kündigungsabsicht festhält (d. h., nun das Integrationsamt um Zustimmung bitten wird).

ArbG Herne 03.07.2018 – 3 Ca 294/18

Wir berichteten bereits:
http://www.cbh.de/News2/Personal-Sozialwesen/2016/Die-wichtigsten-Neuerungen-2017-im-Recht-der-Schwerbehindertenvertretung
http://www.cbh.de/News2/Personal-Sozialwesen/2017/Beteiligung-der-Schwerbehindertenvertretung-bei-Kuendigungen-ein-Zwischenstand
http://www.cbh.de/News2/Personal-Sozialwesen/2018/Richtige-Beteiligung-der-Schwerbehindertenvertretung-bei-Kuendigungen