Keine Änderung einer dynamischen Bezugnahmeklausel durch Betriebsvereinbarung

Der Vierte Senat des BAG lehnt die Betriebsvereinbarungsoffenheit einer dynamischen arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ab: Eine individualvertraglich vereinbarte Vergütung nach tariflichen Grundsätzen kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden.

Der Fall

Der Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Masseur in einem Senioren- und Pflegezentrum beschäftigt. In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag von Dezember 1992 verständigte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Kläger auf eine Reduzierung der Arbeitszeit. In der Vereinbarung heißt es, die Vergütung betrage „monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = DM 2.527,80 brutto“. Im Februar 1993 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Danach sollten in ihrem Anwendungsbereich „analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages – BAT vom 11. Januar 1961″ gelten. Ihre Bestimmungen sollten automatisch Bestandteil von Arbeitsverträgen werden, die vor Februar 1993 geschlossen worden waren. Die betroffenen Arbeitnehmer sollten einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag erhalten. Einen solchen Nachtrag unterzeichneten die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Kläger im März 1993. Die Beklagte kündigte die Betriebsvereinbarung zum 31. Dezember 2001. Im März 2006 vereinbarten die Parteien im Zusammenhang mit einer Arbeitszeiterhöhung, dass das Gehalt „entsprechend der 0,78 Stelle auf 1.933,90 Euro erhöht“ werde und „alle übrigen Bestandteile des bestehenden Arbeitsvertrages […] unverändert gültig“ blieben. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA) bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu. Die Beklagte meint, eine dynamische Bezugnahme auf die vom Kläger herangezogenen Tarifwerke liege nicht vor.

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf v. 25.10.2016 – 8 Sa 500/16

Die Vorinstanz, das LAG Düsseldorf (und vor ihm das ArbG Essen), entschied zunächst, dass die dynamische Inbezugnahme der Vergütungsregeln des BAT mit Abschluss der Betriebsvereinbarung vom Februar 1993, spätestens mit Unterzeichnung der Nachtragsvereinbarung der Parteien vom März 1993 geendet habe. Seitdem ergebe sich der Vergütungsanspruch des Klägers ausschließlich aus den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung. Das LAG begründete dies damit, dass es sich bei der fraglichen Bestimmung in der Zusatzvereinbarung vom Dezember 1992 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt habe, die betriebsvereinbarungsoffen gewesen sei.

Die Entscheidung des BAG

Der Vierte Senat des BAG entschied anders. Die Beklagte, so das BAG, sei verpflichtet, den Kläger nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA zu vergüten. Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten hätten die Vergütung nach den jeweils geltenden Regelungen des BAT und nachfolgend des TVöD/VKA arbeitsvertraglich vereinbart. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1993 vermochte diese Vereinbarung dem Vierten Senat zufolge nicht abzuändern. Ungeachtet der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung unterläge die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede bereits deshalb nicht der Abänderung durch eine kollektivrechtliche Regelung, weil es sich bei der Vereinbarung der Vergütung gerade nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht handele. Die vom Landesarbeitsgericht aufgeworfene Frage der (generellen) Betriebsvereinbarungsoffenheit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen wurde daher offen gelassen.

Quelle: BAG v. 11.04.2018 – 4 AZR 109/17