Betriebsratswahl 2018: (keine) Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber

Aus § 20 Abs. 2 BetrVG ergibt sich nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers, sich jeder kritischen Äußerung über den bestehenden Betriebsrat oder einzelner seiner Mitglieder im Hinblick auf eine zukünftige Wahl zu enthalten (BAG 25.10.2017, Az. 7 ABR 10/16).

Der Fall

Die Beteiligten stritten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Die Antragsteller waren drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs, Antragsgegner waren u. a der Betriebsrat und die beteiligten Arbeitgeberinnen.

Die Antragsteller fochten u. a. die Betriebsratswahl aus dem Jahre 2014 an, weil die Geschäftsleitung nach ihrer Ansicht versucht habe, den Ausgang der Wahl in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Hierzu trugen sie u. a. vor, dass ein Personalleiter vor einer Vielzahl von Angestellten vor der Wahl geäußert habe, die Betriebsratsvorsitzende behindere die Arbeit des Unternehmens; in diesem Kontext habe er angeregt, bei der Betriebsratswahl eine „gescheite Liste“ aufzustellen. Der damalige Geschäftsführer der Arbeitgeberin habe dann ergänzt, es seien 50 vom Betriebsrat angestrengte Gerichtsverfahren anhängig, und die Anwesenden aufgefordert, geeignete Mitarbeiter des Unternehmens für einen neuen Betriebsrat zu suchen.

Darüber hinaus habe ein weiterer Personalleiter Beschäftigte angesprochen, ob sie sich zur Wahl stellen und ggf. den Betriebsratsvorsitz übernehmen wollten. Zudem habe der vorgenannte Personalleiter den Mitarbeitern das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren präsentiert und geäußert, jeder, der der bisherigen Betriebsratsvorsitzenden seine Stimme bei der Betriebsratswahl gebe, begehe „Verrat“. Die Intervention der Geschäftsleitung habe zur Gründung einer weiteren Liste geführt und damit entscheidenden Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt.

Der Antragsgegner und die Antragsgegnerinnen haben die Auffassung vertreten, in den vorgenannten Äußerungen sei keine unzulässige Wahlbeeinflussung zu sehen. Kritische Äußerungen über eine problematische Zusammenarbeit müssten beiden Betriebsparteien erlaubt sein.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen, auf die Beschwerde der Antragsteller hat das Landesarbeitsgericht die Wahl für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht stützte sich insbesondere bei seiner Begründung darauf, dass die Arbeitgeberin ihre Neutralitätspflicht verletzt habe.

Die Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats und der Arbeitgeberinnen hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht erkannte eine absolute Neutralitätspflicht des Arbeitgebers nicht an.

Entgegen der Auffassung des LAG müsste sich der Arbeitgeber nicht jeglichen Einflusses auf die Zusammensetzung des Betriebsrats enthalten. Eine solche Verpflichtung entstehe nicht aus § 20 Abs. 2 BetrVG. Die vorgenannte Vorschrift untersage nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung muss vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen.

Das BAG sah auch in der Ankündigung des Personalleiters, jeder, der die Betriebsratsvorsitzende wähle, begehe „Verrat“, keine Androhung von Nachteilen, da die Aussage des Personalleiters erkennbar überzeichnet gewesen sei und die „hineininterpretierte“ Drohung zu unbestimmt sei.

Erkenntnisse für die Praxis

Das Urteil des BAG ist zu begrüßen und eröffnet dem Arbeitgeber ein wenig Spielraum hinsichtlich kritischer Äußerungen gegenüber dem Betriebsrat und einzelnen Mitgliedern im Rahmen der Betriebsratswahl. Eine sachliche und ggf. auch überspitzt kritische Auseinandersetzung mit der Betriebsratsarbeit muss möglich sein. Jedoch sollten Arbeitgeber dieses Urteil nicht als Freibrief verstehen und bei Äußerungen/Handlungen vor einer Betriebsratswahl immer noch Vorsicht walten lassen, solche Aussagen insbesondere nicht mit konkreten Vor- oder Nachteilen verbinden bzw. solche in Aussicht stellen.

Quelle: BAG 25.10.2017, Az. 7 ABR 10/16