Modernisierung des Mutterschutzgesetzes

Mit der Zustimmung des Bundesrats am 12.05.2017 steht fest: Die Reform des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) kommt. Die Neuregelungen treten zum 01.01.2018, teilweise sogar schon früher mit der Verkündung des Gesetzes in Kraft (BT-Drs. 18/11782). Wir stellen die wichtigsten neuen Regelungen vor.

Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs

Das Gesetz galt bislang nur für Arbeitnehmerinnen und Beschäftigte in einem Heimarbeitsverhältnis und wird ab dem 01.01.2018 auch für

  • Auszubildende und Praktikantinnen i. S. d. § 26 BBiG
  • Schülerinnen und Studentinnen, soweit die Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf der Ausbildungsveranstaltung verpflichtend vorgibt bzw. bei Ableistung eines im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung verpflichtenden Praktikums
  • Frauen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind
  • Teilnehmerinnen des Bundesfreiwilligendienstes
  • Entwicklungshelferinnen im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes
  • Frauen, die als Mitglieder einer geistlichen Genossenschaft, Diakonissen oder Angehörige einer ähnlichen Gemeinschaft auf einer Planstelle oder aufgrund eines Gestellungsvertrages für diese tätig werden
  • wirtschaftlich Unselbstständige (arbeitnehmerähnliche Personen, z. B. Fremdgeschäftsführerinnen)

Wirkung entfalten.

Schutzfristen vor und nach der Geburt

Im Grundsatz bleiben die Schutzfristen unangetastet: Acht Wochen nach der Geburt darf eine Mutter nicht beschäftigt werden; sechs Wochen vor dem errechneten Termin muss sie nicht arbeiten, kann sich jedoch freiwillig dazu bereit erklären.

Für die neu vom MuSchG erfassten Schülerinnen und Studentinnen gibt es eine Lockerung der nachgeburtlichen Schutzfrist: Sie können von ihrer Ausbildungsstelle verlangen, bereits vor Ablauf der acht Wochen beschäftigt zu werden. Die übrigen Beschäftigtengruppen können weiterhin nicht freiwillig auf den nachgeburtlichen Schutz verzichten!

Neu ist die Möglichkeit zur Verlängerung der nachgeburtlichen Schutzfrist auf zwölf Wochen für die Mütter, die ein behindertes Kind zur Welt bringen. Die Verlängerung muss ausdrücklich beantragt werden und bedarf der ärztlichen Feststellung einer Schwerbehinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX.

Die Änderungen zu den Schutzfristen werden bereits am Tag nach der Verkündung des neuen Gesetzes (voraussichtlich Juni/Juli 2017) in Kraft treten.

Kündigungsschutz

Die Neuregelungen zum besonderen Kündigungsschutz von Schwangeren und jungen Müttern enthalten im Wesentlichen Präzisierungen und eine Änderung, die sicherlich für rechtliche Auseinandersetzungen sorgen wird:

Präzisiert wurde der (durch die meist unmittelbar anschließende Elternzeit praktisch kaum relevante) nachgeburtliche Kündigungsschutz. Er galt bislang für pauschal vier Monate nach der Geburt, unabhängig davon, ob die Zeit der Schutzfrist im Einzelfall, insbesondere bei Früh- und Mehrlingsgeburten, länger ist. Zukünftig greift der Schutz der Schwangeren oder jungen Mutter vor Kündigungen, die ohne behördliche Zustimmung ausgesprochen werden, immer mindestens so lange, wie die Schutzfrist dauert, in jedem Fall mindestens vier Monate nach der Geburt.

Eine Ergänzung, die bereits nach dem Tag der Verkündigung (vss. Juni/Juli 2017) in Kraft treten wird, ist die nun sehr klar gefasste Regelung zum Sonderkündigungsschutz nach Fehlgeburten: Dieser schützt die Beschäftigte nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche für weitere vier Monate.

Komplett neu ist die Erstreckung des Sonderkündigungsschutzes auf „Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers“ (§ 16 Abs. 1 S. 3 MuSchG n.F.). Während es bislang ausschließlich darauf ankam, dass die Kündigung erst nach Ablauf des Kündigungsschutzzeitraums ausgesprochen wird, sollen künftig auch Vorbereitungsmaßnahmen erfasst sein und zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, wenn sie während des Schutzzeitraums vorgenommen werden. Was genau „Vorbereitungsmaßnahmen“ sind, dazu schweigt das Gesetz. Ausweislich der Begründung des Gesetzgebers erfolgte diese Erweiterung im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der die Europäische Mutterschutzrichtlinie so auslegt, dass während der Zeiten des besonderen Kündigungsschutzes weder eine Kündigungsentscheidung getroffen(!) noch Vorbereitungen für eine Kündigung getroffen werden dürfen. Danach wäre es ab dem 01.01.2018 vermutlich nicht mehr zulässig, den Betriebsrat schon vor Ablauf des Sonderkündigungsschutzes anzuhören, auch wenn der Ausspruch der Kündigung erst später erfolgt. Wie weit der Begriff der Vorbereitungsmaßnahmen geht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit gerichtlich präzisiert werden müssen.

Beschäftigung nach 20 Uhr/an Sonn- und Feiertagen

Die Beschäftigung schwangerer oder stillender Mitarbeiterinnen nach 20 Uhr wird zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein. Als Ausnahme zum generellen Verbot, Schwangere oder Stillende zwischen 20 und 6 Uhr in der Nacht zu beschäftigen, erlaubt § 4 Abs. 2 S. 2 MuSchG n. F. die Beschäftigung von schwangeren oder stillenden Frauen in der Zeit zwischen 20 und 22 Uhr, wenn

  • die Frau sich vorab ausdrücklich hierzu bereit erklärt hat und
  • ein ärztliches Zeugnis über die Unbedenklichkeit der Nachtarbeit vorlegt;
  • schließlich muss Alleinarbeit und eine unverantwortbare Gefährdung der Schwangeren/Stillenden in diesem Zeitfenster ausgeschlossen sein.

Auch die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen wird ab dem 01.01.2018 unter weniger strengen Voraussetzungen möglich sein. Im Bereich der Ausnahmetatbestände des § 10 ArbZG (z.B. in Not- und Rettungsdiensten, in Gaststätten, im Rundfunk, in Verkehrsbetrieben, der Landwirtschaft) können Schwangere und Stillende

  • mit ihrem Einverständnis,
  • bei Gewährung einer anschließenden Ruhezeit von mindestens elf Stunden und
  • wenn ausgeschlossen ist, dass sie alleine arbeiten,

auch an Sonn- und Feiertagen eingesetzt werden.

Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach Teilzeit während der Elternzeit

Für eine in der Praxis häufig vorkommende Konstellation hält § 20 MuSchG n. F. eine einheitliche Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts für die Berechnung von Mutterschutzlohn und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld vor. Kehrt eine Mutter nach der Geburt eines Kindes während der Elternzeit in Teilzeit an den Arbeitsplatz zurück und wird sie während dessen erneut schwanger, war nach bisheriger Rechtslage die Frage nicht abschließend geklärt, ob für die Ermittlung des Zuschusses des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld für den dann folgenden Mutterschutz auf das zuletzt erzielte Teilzeitentgelt (so der Wortlaut: „die letzten drei abgerechneten Kalendermonate“, § 14 MuSchG) abzustellen ist oder auf das vor der Elternzeit erzielte (Vollzeit-)Entgelt. Mit der Neufassung des Gesetzes ist dieser Fall ausdrücklich geregelt: Entgelt aus einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit bleibt unberücksichtigt, so dass im Regelfall immer zum vor der Elternzeit erzielten Vollzeitentgelt aufgestockt werden muss.

Fazit

Es ist definitiv zu begrüßen, dass der Gesetzgeber ein seit mehr als 50 Jahren fast unverändertes Gesetz angepackt hat. Für den Anwender des Gesetzes ist besonders die neue, in Teilen deutlich vereinfachte Struktur genauso erfreulich wie die eingefügten Präzisierungen zu in der Praxis strittigen Fragen.

Man wird auch festhalten können, dass die stärkere Betonung der Autonomie der schwangeren oder stillenden Frau, z. B. bei der Arbeit nach 20 Uhr oder an Sonn- und Feiertagen, der Wirklichkeit der sich seit Inkrafttreten des Mutterschutzgesetzes 1952 doch deutlich geänderten Arbeitswelt gerecht wird.

Quellen:

Gesetzentwurf und –begründung des Bundestages BT-Drs. 18/11782 (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/117/1811782.pdf)