Eingliederungsmanagement ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung

In seinem aktuellen Urteil vom 18.10.2017, Az. 10 AZR 47/17, hat sich das BAG mit der Frage befasst, ob die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements i. S. v. § 84 Abs. 2 SGB IX Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung ist. Nein, sagt das BAG, und entschied damit anders als das LAG Baden-Württemberg in der Vorinstanz.

Der Sachverhalt:

Der bei der Beklagten als Maschinenbediener tätige Kläger leistete zunächst Wechselschicht (Frühschicht/Spätschicht) und wurde dann beinahe ausschließlich in der Nachtschicht eingesetzt. In den Jahren 2013 und 2014 war der Kläger jeweils an 35 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Vom 02.12.2014 bis 26.02.2015 war er aufgrund einer suchtbedingten Therapiemaßnahme arbeitsunfähig. Im Anschluss daran wurde er wieder in der Nachtschicht beschäftigt. Am 25.03.2015 fand ein sog. Krankenrückkehrgespräch statt, welches von der Beklagten nicht als Maßnahme des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) beabsichtigt und/oder ausgestaltet war. Nach diesem Gespräch ordnete die Beklagte an, dass der Kläger seine Arbeit zukünftig (wie bereits früher) in Wechselschicht zu erbringen habe, da sie sich dadurch positive Auswirkungen auf dessen Arbeitsfähigkeit erhoffte. Der Kläger hat sich gegen die Wirksamkeit der Versetzung gewandt.

Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg:

Das LAG Baden-Württemberg (Urteil v. 22.11.2016, Az. 15 Sa 76/15) verurteilte die Beklagte, den Kläger weiterhin in Nachtschicht zu beschäftigen, da sich die Rechtspflicht zum BEM auch auf die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers auswirken könne. Es stützte den Beschäftigungsanspruch darauf, dass die Beklagte bei Ausübung ihres Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens überschritten habe.  Die Beklagte könne kein erforderliches berechtigtes Interesse geltend machen, die Lage der klägerischen Arbeitszeit zu ändern. Sie sei vielmehr – auch ohne Kündigungsabsicht – dazu gehalten gewesen, vor der Versetzung ein BEM durchzuführen. Dann wäre die ambulante Suchtmaßnahme, die zeitlich nur mit der Nachtschicht, nicht aber mit der Wechselschicht vereinbar war, entdeckt worden, womit auf deren Einhaltung hätte Rücksicht genommen werden können.

Die Entscheidung des BAG:

Die Revision der Beklagten hatte vor dem 10. Senat Erfolg. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements i. S. v. § 84 Abs. 2 SGB IX sei keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung, so das BAG. Dies gelte auch in den Fällen, in denen die Anordnung (auch) auf Gründe gestützt werde, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Weisung des Arbeitgebers insgesamt billigem Ermessen i. S. v. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB entspricht. Dabei seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Mangels hinreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu diesen Umständen konnte der Senat nicht abschließend entscheiden, was zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht geführt hat.

Fazit:

Das BAG hat bereits entschieden, dass die Durchführung eines BEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung darstellt. Vielmehr ändert sich bei unterlassenem BEM „nur“ die Darlegungs- und Beweislast in dem Sinne, dass der Arbeitgeber von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen hat, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz ausscheiden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass das Gericht die Durchführung eines BEM als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung einer Versetzung ebenfalls verneint. Die Umstände des Einzelfalles, die ggf. im Rahmen eines BEM aufgedeckt worden wären, sind jedoch bei der Kontrolle zu berücksichtigen, ob die Weisung des Arbeitgebers ordnungsgemäß ausgeübt worden ist und insgesamt billigem Ermessen entspricht.

Tomislav Santon, LL.M.
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