Neues zur Gestaltung von Arbeitsverträgen: „Zumutbar“ heißt nicht „gleichwertig“

Fehlt in einer Versetzungsklausel der ausdrückliche Hinweis darauf, dass nur eine Versetzung auf gleichwertige Stellen erfasst sein soll, kann die ganze Klausel unwirksam sein (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.02.2016 – 2 Sa 51/15).

Der Fall:

Seit ihrer Erstreckung auf Arbeitsverträge sind die Vorschriften zum AGB-Recht und die dazu ergangene Rechtsprechung ein Dauerbrenner in der arbeitsrechtlichen Beratung: Die Anforderungen an die wirksame Formulierung sind streng: Der Arbeitnehmer darf nicht „unangemessen benachteiligt“ werden und die „Transparenz“ der Klausel muss auch gewährleistet sein.

Das LAG Baden-Württemberg hatte eine Klausel zu beurteilen, die sich in vielen, vor allem älteren Arbeitsverträgen findet:

„Der Arbeitnehmer wird als (…) mit nachfolgenden Hauptaufgaben tätig: (…). Er verpflichtet sich, auch andere zumutbare Arbeiten auszuführen – auch an einem anderen Ort –, die seinen Vorkenntnissen und Fähigkeiten entsprechen.“

Der spätere Kläger wurde im Laufe seines Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt und wehrte sich dagegen. Aus seiner Sicht benachteilige ihn der Versetzungsvorbehalt, auf den sich der Arbeitgeber berief, unangemessen: Es fehle der Zusatz, dass er nur zu gleichwertigen Aufgaben herangezogen werden könne.

Das Urteil:

Die Ansicht des klagenden Arbeitnehmers bestätigte das LAG Baden-Württemberg. Der Versetzungsvorbehalt sei unwirksam, da die Klausel offen lasse, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch geringwertigere Tätigkeiten zuweisen könne.

Vielmehr lasse eine solche Klausel sowohl die Auslegung zu, dass eine einseitige Änderung der Tätigkeitsart nur dann zulässig ist, wenn diese Änderung in der Zuweisung einer anderen gleichwertigen Tätigkeit besteht als auch dann, wenn die zugewiesene Tätigkeit nicht gleichwertig ist. Wenn aber Zweifel über den Inhalt der Klausel bestünden, dann gingen diese zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender; zu wählen sei die für den Arbeitnehmer günstigste Auslegungsvariante. Dieses sei diejenige, die zur materiellen Unangemessenheit und damit zur Unwirksamkeit der Klausel führe.

Fazit:

Versetzungsklauseln gehören zum arbeitsvertraglichen Standard-Inventar: Der Arbeitnehmer soll zwar grundsätzlich für eine bestimmte Position eingestellt werden; gleichzeitig möchte sich der Arbeitgeber aber die Möglichkeit offen halten, zukünftig eine andere Tätigkeit zuzuweisen.

Das – noch nicht rechtskräftige – Urteil des LAG Baden-Württemberg ist ein Beispiel dafür, wie streng inzwischen die Anforderungen der Rechtsprechung an die Vorsicht bei der Gestaltung vor Arbeitsverträgen sind.
Dass sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag nicht vorbehalten kann, den Arbeitnehmer durch die Zuordnung von geringerwertigen Tätigkeiten zu degradieren, mag noch einleuchten und ist höchstrichterlich geklärt (vgl. BAG, Urteil vom 25.08.2010 – 10 AZR 275/09).

Reicht es aber nicht, dass nur die Zuweisung von „zumutbaren“ Aufgaben, die den „Vorkenntnissen und Fähigkeiten“ des Arbeitnehmers entsprechen, zulässig sein soll? Kann nicht in diese Formulierung hineingelesen werden, dass nur gleichwertige Positionen bei einer Versetzung in Betracht kommen?

Nein, meint das LAG Baden-Württemberg. Auch nach Vergütung und Arbeitsinhalt nicht gleichwertige Tätigkeiten könnten zumutbar sein. Die Klausel sei nicht eindeutig und damit auf Grund der Unklarheitenregel in § 305c BGB unwirksam. Der Mitarbeiter darf gegen seine Einwilligung nicht mit einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Tätigkeit betraut werden.

Die Rechtsprechung war insoweit bislang nicht einheitlich: Nach der Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz ist mit dem Zusatz „zumutbar“ klargestellt, dass die Zuweisung einer geringer wertigen Tätigkeit nicht in Betracht kommt (Urteil vom 01.09.2008 – 5 Sa 261/08). Das BAG hat diese Frage 2009 ausdrücklich offen gelassen (Urteil vom 21.07.2009 – 9 AZR 279/08) und 2006 eine Klausel akzeptiert, die „unter Wahrung der Interessen“ des Arbeitnehmers die „Zuweisung eines anderen Aufgabengebietes“ vorsah – ohne den Zusatz „zumutbar“ oder „gleichwertig“ (BAG, Urteil vom 11.04.2006 – 9 AZR 557/05).

Das LAG Baden-Württemberg hat vor diesem Hintergrund folgerichtig die Revision zugelassen. Ob diese eingelegt wurde, ist noch nicht bekannt.

In jedem Fall empfiehlt es sich, bei der Gestaltung neuer Arbeitsverträge ein Augenmerk auf den Versetzungsvorbehalt zu richten, um „böse Überraschungen“ zu vermeiden. Für ältere Verträge in denen das Kriterium der Gleichwertigkeit im Versetzungsvorbehalt nicht erwähnt ist, wäre eine klarstellende Entscheidung des BAG begrüßenswert.

Das Urteil unterstreicht jedenfalls das Gebot der Vorsicht bei der Vertragsgestaltung und erinnert sogleich daran, dass ein Muster-Arbeitsvertrag „ein lebendiges Gebilde“ ist, dessen Klauseln fortlaufend auf ihre Vereinbarkeit mit einer möglicherweise sich ändernden Rechtsprechung zu überprüfen sind. Für entsprechende „up-to-date-Checks“ stehen Ihnen CBH Rechtsanwälte zur Verfügung.

Quellen:

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.02.2016 – 2 Sa 51/15 – Entscheidungsgründe

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.09.2008 – 5 Sa 261/08  – Entscheidungsgründe