EuGH zum datenschutzrechtlichen Medienprivileg – „We Are All Journalists Now“

Mit Urteil vom 14.02.2019 (Rs. C-345/17) hat der EuGH klargestellt, dass auch Bürgerjournalisten – hier der Betreiber eines privaten YouTube-Kanals – vom sogenannten Medienprivileg des europäischen Datenschutzrechtes erfasst und damit weitgehend von dessen Anwendungsbereich ausgenommen sein können. Dies setzt jedoch voraus, dass die betreffende Veröffentlichung ausschließlich zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Zugrunde lag der Entscheidung der Fall eines lettischen Bürgers, der in einer Dienststelle der lettischen nationalen Polizei die Aufnahme seiner Aussage im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens mit einer Digitalkamera gefilmt hatte. Gezeigt wurden in dem Film Polizeibeamte und deren Tätigkeit in der Polizeidienststellte. Das so aufgezeichnete Video veröffentlichte der Lette später auf der Video-Sharing-Plattform YouTube. Zu seinen Beweggründen gab er an, er habe mit der Veröffentlichung des Videos die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf ein seiner Auffassung nach rechtswidriges Handeln der Polizei lenken wollen. Die nationale Datenschutzbehörde beanstandete die Veröffentlichung als nach dem Datenschutzrecht unzulässige Datenverarbeitung, da die Filmaufnahmen erfolgt seien, ohne dass die abgebildeten Personen über diese Aufzeichnung und deren Zwecke informiert worden seien.

Der EuGH entschied nun im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens, dass die Aufzeichnung und Veröffentlichung eines solchen Videos eines Privaten als Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken im Sinne von Art. 9 (Medienprivileg) der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Datenschutzrichtlinie (RL (EG) 95/46) angesehen werden kann. Dies hat zur Folge, dass die Normen des Datenschutzrechts auf diese Tätigkeit weitgehend keine Anwendung finden.

Weder der Umstand, dass der Veröffentlichende kein Berufsjournalist ist, noch die Nutzung einer Sharing-Plattform wie YouTube zur Publikation schließen nach der Diktion des EuGH das Vorliegen einer Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken aus. Gleichzeitig betont der EuGH jedoch, dass nicht jegliche im Internet veröffentlichte Informationen, die sich auf personenbezogene Daten beziehen, unter die Befreiungen und Ausnahmen für journalistische Tätigkeiten fallen. Erforderlich ist unter Berücksichtigung des Normwortlauts „allein zu journalistischen Zwecken“ vielmehr, dass die Veröffentlichung ausschließlich, und damit nicht lediglich als Nebenzweck, zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Dies festzustellen, ist Sache des nationalen Gerichts.

Zur Zulässigkeit der Publikation des konkreten Videos äußerte sich der EuGH daher nicht. Er hebt in seinen Ausführungen jedoch hervor, dass auch das Vorliegen eines journalistischen Zweckes eine Veröffentlichung eines personenidentifizierenden Videos nicht per se rechtmäßig macht, sondern vielmehr die zwei durch GRCh und EMRK geschützten Grundrechte des Rechts auf Privatsphäre und der Freiheit der Meinungsäußerung in Einklang zu bringen sind. Für die notwendige Abwägung verweist der EuGH auf die vom EGMR entwickelten Kriterien, wonach insbesondere die Bedeutung der veröffentlichten Information als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die Auswirkungen der Veröffentlichung sowie die Umstände, unter denen die Information erlangt worden ist, zu berücksichtigen sind.

Das Auslegungsergebnis des EuGH ist vor dem Hintergrund immer stärker verschwimmender Grenzen zwischen organisierter Massenkommunikation und sogenanntem Bürgerjournalismus, etwa durch Blogs und Meinungsforen, konsequent. Nicht vom EuGH zu entscheiden, aber folgerichtig ist die Frage, inwiefern mit einem Privileg auch Pflichten einhergehen – in diesem Fall einzuhaltende journalistische Sorgfaltspflichten.

Die Entscheidung erging noch zur alten Datenschutzrichtlinie (RL (EG) 95/46). Sie ist aber auf das Geltungsregime der DS-GVO übertragbar, da die Öffnungsklausel in Art. 85 Abs. 2 DS-GVO nahezu wortgleich formuliert ist und darüber hinaus auch Erwägungsgrund 153 ausdrücklich hervorhebt, dass der Begriff des Journalismus weit auszulegen ist.