BPatG zur Erlaubnis der Erfindungsnutzung durch einstweilige Verfügung

Gemäß § 85 Abs. 1 PatG kann dem Kläger im Verfahren wegen Erteilung einer Zwangslizenz auf seinen Antrag die Benutzung der Erfindung durch einstweilige Verfügung gestattet werden, wenn er glaubhaft macht, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 bis 6 PatG vorliegen und dass die alsbaldige Erteilung der Erlaubnis im öffentlichen Interesse dringend geboten ist. Das BPatG (Urt. v. 06.09.2018, Az. 3 LiQ 1/18 (EP)) hat sich jüngst mit den Voraussetzungen einer solchen Benutzungsgestattung befasst.

Erforderlich ist, dass sich der Lizenzsucher innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolglos um eine Lizenz zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen bemüht. Dabei reicht es aus, wenn diese Voraussetzung am Schluss der mündlichen Verhandlung erfüllt ist. Da sich das Bemühen aber über einen angemessenen Zeitraum hinweg erstreckt haben muss, reicht es nicht aus, wenn sich der Lizenzsucher während des Verfahrens gewissermaßen erst in letzter Minute zur Zahlung einer angemessenen Lizenz bereit erklärt. Vielmehr muss er über einen gewissen Zeitraum hinweg in einer der jeweiligen Situation angemessenen Weise versucht haben, sich mit dem Patentinhaber über die Erteilung einer Lizenz zu einigen, wobei Zeitraum und Art der Maßnahmen eine Frage des Einzelfalls sind (vgl. BGH v. 11. Juli 2017, Az. X ZB 2/17 – Raltegravir).

Die Frage, ob ein die Erteilung einer Zwangslizenz gebietendes öffentliches Interesse gegeben ist, muss unter Abwägung aller für den Einzelfall relevanten Umstände und der betroffenen Interessen beantwortet werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsordnung dem Patentinhaber ein ausschließliches Recht einräumt, über dessen Ausübung er grundsätzlich alleine bestimmen darf. Das öffentliche Interesse kann deshalb nur dann berührt sein, wenn besondere Umstände hinzukommen, die die uneingeschränkte Anerkennung des ausschließlichen Rechts und die Interessen des Patentinhabers zurücktreten lassen, weil die Belange der Allgemeinheit die Ausübung des Patents durch den Lizenzsucher gebieten. In Anwendung dieser Grundsätze kann ein die Erteilung einer Zwangslizenz gebietendes öffentliches Interesse zu bejahen sein, wenn ein Arzneimittel zur Behandlung schwerer Erkrankungen therapeutische Eigenschaften aufweist, die die auf dem Markt erhältlichen Mittel nicht oder nicht in gleichem Maße besitzen, oder wenn bei seinem Gebrauch unerwünschte Nebenwirkungen vermieden werden, die bei Verabreichung der anderen Therapeutika in Kauf genommen werden müssen (vgl. BGH v. 5. Dezember 1995, Az. X ZR 26/92 – Polyferon/Interferon gamma). Eine Zwangslizenz kann hingegen grundsätzlich nicht zugesprochen werden, wenn das öffentliche Interesse mit anderen, im Wesentlichen gleichwertigen Ausweichpräparaten befriedigt werden kann (vgl. BGH v. 11. Juli 2017, Az. X ZB 2/17 – Raltegravir).

Das BPatG befand im vorliegenden Fall den Antrag auf Erlass einer Benutzungserlaubnis im Wege der einstweiligen Verfügung für zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerinnen hätten nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 PatG vorliegen (§ 85 Abs. 1 PatG).

Amtliche Leitsätze

    1. Ein Lizenzangebot, das dem Patentinhaber erst relativ kurze Zeit (hier: drei Wochen) vor Einreichung der Zwangslizenzklage und des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unterbreitet wird, erfüllt (regelmäßig) nicht die Anforderungen an Lizenzbemühungen, die sich i.S.d. § 24 Abs. 1 PatG über einen angemessenen Zeitraum erstrecken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich das Angebot an ein Konkurrenzunternehmen richtet, mit dem Rechtsstreitigkeiten wegen Verletzung und über die Bestandskraft seines Patents geführt werden und das sich zudem in der Vergangenheit mehrfach gegen die Vergabe einer Lizenz ausgesprochen hat, so dass ein zügiger Abschluss von Lizenzverhandlungen nicht erwartet werden kann.
    2. Hat sich der Patentinhaber in der Vergangenheit mehrfach gegen die Vergabe einer Lizenz ausgesprochen etwa vor dem Hintergrund, dass er ein mit dem Produkt des Lizenzsuchers konkurrierendes eigenes Produkt vertreibt, so entbindet dies nicht von dem sich aus § 24 Abs. 1 Nr. 1 PatG ergebenden Erfordernis, sich (aktuell) innerhalb eines angemessenen Zeitraums um eine rechtsgeschäftliche Lizenz zu bemühen. Wird die Zwangslizenzklage eingereicht noch bevor sich der Patentinhaber innerhalb eines als angemessen anzusehenden Zeitraums überhaupt zum Lizenzangebot geäußert hat, so spricht dies gegen die Erfüllung des Erfordernisses aus § 24 Abs. 1 Nr. 1 PatG.
    3. Im Zwangslizenzverfahren hat der Kläger (und Antragsteller einer einstweiligen Verfügung) zu beweisen (bzw. glaubhaft zu machen), dass das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG). Macht der Kläger geltend, dass ein öffentliches Interesse an der weiteren freien Verfügbarkeit des von ihm vertriebenen Arzneimittels besteht, hat er zu beweisen, dass dieses Arzneimittel therapeutische Eigenschaften aufweist, die andere auf dem Markt erhältliche Mittel nicht oder nicht in gleichem Maße besitzen und auch, dass das öffentliche Interesse mit anderen im Wesentlichen gleichwertigen Ausweichpräparaten nicht befriedigt werden kann (Fortführung von BGH v. 5. Dezember 1995 – X ZR 26/92 – Polyferon / Inteferon gamma). Eine Beweislastumkehr in der Weise, dass der Patentinhaber nachzuweisen hat, dass sein Präparat eine gleiche oder bessere Wirkung aufweist, findet nicht statt.

BPatG, Urt. v. 06.09.2018, Az. 3 LiQ 1/18 (EP)

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Franziska Anneken

Franziska Anneken

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