Es bleibt dabei: Keine proaktive Prüfpflichten für Suchmaschinenbetreiber bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Am 27.02.2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Betreiber einer Internetsuchmaschine nicht verpflichtet ist, sich vor der Anzeige eines Suchergebnisses darüber zu vergewissern, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen beinhalten. Erst dann, wenn der Suchmaschinenbetreiber durch einen hinreichend konkreten Hinweis über eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Persönlichkeitsrechtsverletzung hingewiesen worden ist, muss er aktiv bleiben (BGH, Urteil vom 27.02.2018, Az. VI ZR 489/16).

Sachverhalt

Beklagt war die Betreiberin der Internetsuchmaschine „Google“ mit Sitz in Kalifornien. Internetsuchmaschinen, wie sie von der Beklagten betrieben werden, durchsuchen mittels einer Software (auf Basis eines geheimen Algorithmus) automatisch das Internet nach Inhalten, die mit in die Suchmaske eingegebenen Suchbegriffen korrelieren. Diese Suchergebnisse werden sodann in einer Suchergebnisliste indiziert, indem ein Link zu dem vermeintlich passenden Suchergebnis in eine Linkliste (Suchergebnisliste) übernommen wird. Je stärker die vermeintliche Übereinstimmung von Suchbegriff und Suchergebnis, desto höher in der Suchergebnisliste wird das Ergebnis gelistet.

Die Kläger, ein Ehepaar, wandten sich gegen die Indizierung von Suchergebnissen, in denen wahrheitswidrig behauptet wurde, dass der Kläger für rechtswidrige Handlungen Dritter verantwortlich gemacht werden könne, wovon seine Ehefrau Kenntnis habe. Darüber hinaus enthielt das Sucherergebnis erhebliche Beschimpfungen, die gegen die Beklagten gerichtet waren.

Die Kläger nahmen die Beklagte in der Hauptsache auf Unterlassung in Anspruch, die vermeintlich persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalte auf Drittseiten über die Suchmaschine nicht weiter auffindbar zu machen. Das Berufungsgericht hatte die Klage insgesamt abgewiesen. Die Kläger verfolgten ihre Anträge weiter.

Entscheidung des BGH

Die Kläger scheitern auch in der Revision.

Zwar hat auch der BGH die grundsätzliche Möglichkeit einer Haftung des Suchmaschinenbetreibers als sogenannte mittelbare Störerin bejaht, stellt diese jedoch unter die Voraussetzung, dass der Suchmaschinenbetreiber Prüfpflichten verletzt hat.

Diese Prüfpflichten könnten jedoch vernünftigerweise nicht so weit gehen, dass sich der Suchmaschinenbetreiber vergewissern müsse, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet gestellt worden seien, bevor er diese auffindbar mache.

Eine allgemeine Kontrollpflicht würde die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell, die von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligt werden und gesellschaftlich gewünscht sei, ernstlich in Frage stellen und sei praktisch kaum zu bewerkstelligen. Ohne die Hilfestellung von Suchmaschinen wäre das Internet aufgrund der nicht mehr übersehbaren Flut von Daten für den Einzelnen tatsächlich nicht mehr sinnvoll nutzbar.

Den Suchmaschinenbetreiber treffen deshalb erst ab dem Zeitpunkt spezifische Verhaltens- und Prüfpflichten, ab dem er durch einen konkreten Hinweis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung Kenntnis erlangt habe.

Den Klägern war es im vorliegenden Fall nicht gelungen, eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung darzulegen. Über eine sehr allgemein gehaltene und pauschale Behauptung hinaus, dass die indizierten Inhalte unwahr seien, habe der Kläger der Suchmaschinenbetreiberin keinerlei belastbare Indizien für die Haltlosigkeit der ihm und seiner Ehefrau gemachten Vorwürfe aufgezeigt. Vor dem Hintergrund der Komplexität der behaupteten rechtswidrigen Handlungen des Klägers habe die Suchmaschinenbetreiberin den beanstandeten Äußerungen deshalb keine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung entnehmen können (Quelle: Pressemitteilung BGH, Nr. 39/2018, 27.02.2018 – Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht).

Mithin wurde durch die Kläger überhaupt keine Situation geschaffen, in der für die Suchmaschinenbetreiberin überhaupt Prüfpflichten eröffnet worden wären, die sie hätte verletzen können. Die Voraussetzungen der Störerhaftung lagen nicht vor.

Praktische Anforderung an die Darlegungen der Rechtsgutverletzung

Die Entscheidung des BGH geht zurück auf ein Urteil des OLG Köln vom 13.10.2016 (Az. 15 U 173/15). In seiner Urteilsbegründung hatte das OLG Köln differenziert dargelegt, welche Anforderungen an die konkrete Darlegung einer Rechtsgutverletzung gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber zu stellen sind:

  • Die behauptete Rechtsverletzung muss dem Suchmaschinenbetreiber offensichtlich erkennbar gemacht werden. Das bedeutet, dass das Inkenntnissetzungsschreiben des Betroffenen so detailliert über den Sachverhalt und die Hintergründe der Rechtsgutverletzung informieren muss, dass sich die behauptete Rechtsverletzung sowohl in tatsächlicher Hinsicht eindeutig darstellt als auch in rechtlicher Hinsicht die nicht hinzunehmende Beeinträchtigung des Betroffenen auf der Hand liegt.
  • Es genügt nicht, die beanstandeten Links zu nennen und pauschal eine Rechtsverletzung zu behaupten.
  • Es bedarf der Angabe von Details, die hinreichende Möglichkeit geben, die konkret angegriffenen Inhalte zu prüfen.
  • Die Beweislast für die Tatsachen, welche eine Rechtsgutverletzung begründen, soll nach dem OLG Köln im Verhältnis zum Suchmaschinenbetreiber der Betroffene selbst tragen. Jedenfalls habe der Betroffene insoweit eine sekundäre Darlegungspflicht, da der Suchmaschinenbetreiber keine eigene Kenntnis über die tatsächlichen Hintergründe der Rechtsgutverletzung haben könne.

Ob der BGH dieser sehr konkreten Formulierung der Anforderung an eine hinreichende Darlegung der Rechtsgutverletzung gegenüber den Suchmaschinenbetreibern folgt, wird sich erst aus den Entscheidungsgründen ergeben können, die derzeit noch nicht vorliegen.

Entscheidend ist, dass die dargestellten Anforderungen bereits außergerichtlich bei der ersten Kontaktaufnahme zum Suchmaschinenbetreiber zu erfüllen sind. Er benötigt all die geschilderten Hintergrundinformationen, um überhaupt in die Lage versetzt zu werden, die Situation einzuschätzen. Erst dann kann es zur Unterlassungshaftung als Störer kommen. Eine originäre Unterlassungshaftung als Täter oder Mittäter scheidet aus, da sich die Suchmaschinenbetreiber indizierte Inhalte nicht zu eigen machen. Schon die außergerichtliche Aufforderung an die Suchmaschinenbetreiber muss also gut vorbereitet sein, da sie in einem etwaigen prozessualen Verfahren nicht nachgeholt werden kann, um den dort gegenständlichen Unterlassungsanspruch zu begründen.