Einstweilige Verfügung im Patentrecht

Mit Urteil vom 11.01.2018 (Az. I-15 U 66/17) hat das OLG Düsseldorf zu den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorausgegangene positive Rechtsbestandsentscheidung sowie zur Haftung des Geschäftsführers Stellung genommen.

Hintergrund:

Nach ständiger Rechtsprechung der Düsseldorfer Gerichte kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung im Patentrecht grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungsschutzrechts im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers beurteilt werden kann, dass eine fehlerhafte Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn für das Verfügungspatent bereits eine positive Rechtsbestandsentscheidung in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren vorliegt.

In Sonderkonstellationen kann nach der Düsseldorfer Rechtsprechung allerdings von dem Erfordernis einer vorangegangenen positiven Rechtsbestandsentscheidung abgesehen werden, etwa wenn

  • ein Rechtsbestandsverfahren deshalb nicht durchgeführt worden ist, weil das Verfügungspatent allgemein als schutzfähig anerkannt wird (was sich in dem Vorhandensein namhafter Lizenznehmer oder dergleichen widerspiegelt);
  • die gegen den Rechtsbestand vorgebrachten Einwendungen sich schon bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung als haltlos erweisen;
  • außergewöhnliche Umstände gegeben sind, die es für den Antragsteller wegen der ihm aus einer Fortsetzung der Verletzungshandlungen drohenden Nachteile unzumutbar machen, den Ausgang eines Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten

(vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.12.2017, Az. I-2 U 17/17; Urt. v. 17.01.2013, GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat; Urt. 17.01.2013, InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; Urt. v. 29.05.2008, GRUR 2008, 1077 – Olanzapin).

In einem aktuellen Berufungsverfahren hatte der Patentsenat erneut Gelegenheit, zu den Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung ohne vorangegangene Rechtsbestandsentscheidung Stellung zu nehmen.

Sachverhalt:

Gegenstand des Berufungsverfahrens war ein Urteil des LG Düsseldorf vom 18.07.2017 (Az. 4a O 66/17), auf dessen Grundlage die Verfügungsbeklagten verurteilt worden waren, es zu unterlassen, patentgemäße Rasierklingeneinheiten in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.

Nach Auffassung des LG Düsseldorf verwirklichten die angegriffenen Ausführungsformen das Verfügungspatent wortsinngemäß. Hinsichtlich des Erfordernisses einer vorangegangenen positiven Rechtsbestandsentscheidung hatte die Patentstreitkammer einen Sonderfall angenommen, in dem eine solche Entscheidung ausnahmsweise nach Ansicht der Kammer nicht erforderlich war. Zudem hatte die Kammer eine Haftung des Geschäftsführers [Verfügungsbeklagter zu 2)], der weder für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Verfügungsbeklagte zu 1) noch für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform zuständig war, mangels Garantenstellung abgelehnt.

Entscheidung des OLG Düsseldorf:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten blieb ohne Erfolg.

„Zur Glaubhaftmachung des für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendigen hinreichend sicheren Rechtsbestandes bedarf es bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausnahmsweise keiner positiven Rechtsbestandsentscheidung. In dieser Situation genügt es, wenn aus Sicht des Verletzungsgerichts die Patentfähigkeit positiv zu bejahen ist oder – mit Rücksicht auf die im Rechtsbestandsverfahren geltende Beweisverteilung – die Frage der Patentfähigkeit mindestens ungeklärt bleibt, so dass das Verletzungsgericht, wenn es in der Sache selbst zu befinden hätte, den Rechtsbestand zu bejahen hätte.“ (Amtlicher Leitsatz des OLG Düsseldorf)

Die Berufung der Verfügungsklägerin hatte demgegenüber Erfolg. Als Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 1) hafte der Verfügungsbeklagte zu 2) zwar nicht allein aufgrund seiner Organstellung oder einer mit Blick auf die Beachtung fremder technischer Schutzrechte typischerweise bestehenden Garantenstellung. Die erforderliche Garantenstellung erwachse grundsätzlich nur in der Person desjenigen, in dessen Verantwortungsbereich die patentverletzende Handlung falle. Vorliegend sei die Haftung jedoch wegen der positiven Kenntnis des Verfügungsbeklagten zu 2) von der Verletzung des Verfügungspatents und der damit verbundenen Garantenstellung begründet:

„Der Geschäftsführer, der nach interner Zuständigkeitsverteilung des Unternehmens nicht für die Herstellung und/oder den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform zuständig ist, ist ab dem Zeitpunkt der positiven Kenntnis von der Schutzrechtsverletzung gehalten, alles ihm tatsächlich und rechtlich Mögliche zu unternehmen, die nunmehr bekannte Verletzung des Verfügungspatents in Zukunft zu verhindern. Dieser Pflicht kann er sich nicht mit dem bloßen Hinweis auf die interne Zuständigkeitsverteilung entledigen.“ (Amtlicher Leitsatz des OLG Düsseldorf)

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.01.2018, Az. I-15 U 66/17