BGH zur Bemessung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im patentrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren

Abweichend von früheren Entscheidungen, in denen der BGH im Ausgangspunkt allein auf § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i. V. m. § 51 Abs. 1 GKG zurückgegriffen hat, stellt er in seiner Entscheidung „Ratschenschlüssel II“ klar, dass sich der Gegenstandswert nach der spezielleren Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt, der auf § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG verweist.

Die Bestimmung sei auf Rechtsbeschwerdeverfahren als besondere Beschwerdeverfahren anzuwenden, soweit dort Gerichtsgebühren nicht erhoben werden oder sich – wie im Streitfall – nicht nach dem Wert richten.

Der Gegenstandswert sei mithin unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 RVG), werde jedoch durch den Wert des zugrundeliegenden gerichtlichen Verfahrens begrenzt (§ 23 Abs. 2 Satz 2 RVG). Sofern genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen, sei der Gegenstandswert mit 5.000,00 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 € anzunehmen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 RVG).

In Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Patentgesetz sei der Gegenstandswert mithin nach den für die Wertbestimmung in Patentnichtigkeitssachen maßgeblichen Grundsätzen zu bestimmen. Demgemäß sei der Wertbestimmung im Allgemeinen der gemeine Wert des Patents zuzüglich entstandener Schadenersatzforderungen zugrunde zu legen, für die mangels sonstiger Anhaltspunkte der Streitwert eines anhängigen oder anhängig gewesenen Verletzungsverfahrens den greifbarsten Anhalt bieten könne; der darüber hinausgehende gemeine Wert des Patents könne dabei mit einem pauschalen Zuschlag in Höhe eines Viertels zum Wert des Verletzungsverfahrens bemessen werden.

Bieten sich keine genügenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine solche konkrete Schätzung, sei der Wert durch einen Vergleich mit dem Auffangwert von 5.000,00 € auf Basis sämtlicher sonstiger Umstände des Einzelfalls zu bestimmen, wobei eine Wertbestimmung über 500.000,00 € ausgeschlossen sei. Aus dem Umstand, dass der Anmelder die Mühen und Kosten einer Patentanmeldung und der Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung in Kauf nimmt und er dies regelmäßig nur dann tun wird, wenn er auch bereit ist, in Erwartung eines damit verbundenen wirtschaftlichen Nutzens die Gebühren für das zu erteilende Patent jedenfalls für eine gewisse Zeit zu zahlen, schließt der BGH, dass der Wert mit 5.000,00 € nicht angemessen erfasst ist. Vielmehr könne er – mangels anderer Anhaltspunkte – mit dem Zehnfachen dieses Werts, d. h. mit 50.000,00 €, bemessen werden.

Wird ein erteiltes Patent mit dem Einspruch angegriffen, ist nach Ansicht des BGH im Regelfall die Annahme eines höheren Werts gerechtfertigt. Dieser könne bei einem einzelnen Einsprechenden – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – mit 75.000,00 € bemessen werden. Haben mehrere Unternehmen eingesprochen, spiegele dies in der Regel ein nochmals höheres Allgemeininteresse am Widerruf des Patents wider, dem mit einer weiteren Werterhöhung um 25.000,00 € je weiterem Einsprechenden Rechnung zu tragen sei.

Amtliche Leitsätze

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im patentrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren ist unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen nach den für die Wertbestimmung in Patentnichtigkeitssachen maßgeblichen Grundsätzen zu bestimmen, wenn genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des gemeinen Werts des Patents vorliegen.

Andernfalls ist der Wert in Verfahren der Anmelderbeschwerde regelmäßig mit 50.000,00 € zu bemessen; im Einspruchsverfahren ist dem höheren Allgemeininteresse in der Regel durch einen Aufschlag in Höhe von 25.000,00 € je Einsprechendem Rechnung zu tragen.

BGH, Beschluss v. 27.03.2018, Az. X ZB 3/15 – Ratschenschlüssel II