BGH zu Zweck- oder Funktionsangaben in einem Sachanspruch eines Patents

In seinem Urteil „Gurtstraffer“ (v. 24.04.2018, Az. X ZR 50/16) stellt der BGH klar, dass Zweck- oder Funktionsangaben aus einem Sachanspruch eines Patents keinen Verwendungsanspruch machen, und ferner, dass technische Schwierigkeiten oder Nachteile der vorgeschlagenen technischen Lösung eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen vermögen, wenn die vorgeschlagene Lösung diese ignoriert und in Kauf nimmt.

Patentanspruch 1 des dem Urteil des BGH zu Grunde liegenden Streitpatents DE 10 2006 026 734 enthält die Angabe, dass es sich bei dem Patentgegenstand um einen „Gurtstrafferantrieb“ handelt. Das BPatG hatte darin eine Verwendungsangabe gesehen, wonach der Antrieb der Straffung eines Sicherheitsgurtes dienen soll. Ob es damit Patentanspruch 1 letztlich als einen Verwendungsanspruch oder als einen Sachanspruch aufgefasst habe, hat es nicht weiter spezifiziert.

Der BGH stellt insoweit Folgendes klar: Zweck- und Funktionsangaben in einem Sachanspruch beschränken dessen Gegenstand regelmäßig nicht auf den angegebenen Zweck oder die angegebene Funktion. Solche Angaben sind aber nicht bedeutungslos. Sie definieren den durch das Patent geschützten Gegenstand regelmäßig dahin, neben der Erfüllung der weiteren räumlich-körperlichen Merkmale auch so ausgebildet zu sein, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendet werden oder die angegebene Funktion erfüllen kann. Er muss mithin objektiv geeignet sein, den angegebenen Zweck oder die angegebene Funktion zu erfüllen. Mit der Konkretisierung des Patentgegenstandes anhand einer mit der Zweck- oder Funktionsangabe zum Ausdruck gebrachten objektiven Eignung bleibt der auf eine Vorrichtung gerichtete Anspruch ein Sachanspruch. Es kommt weder auf die tatsächliche Verwendung einer Sache an, noch für welche Verwendung sie „dient“.

Weiter stellt der BGH in seinem Urteil im Zusammenhang mit der fraglichen erfinderischen Tätigkeit heraus, dass es zur Bejahung der Patentfähigkeit nicht ausreicht, wenn die vom Streitpatent vorgeschlagene technische Lösung aus der Sicht des Standes der Technik mit Nachteilen oder ihre Realisierung mit Schwierigkeiten verbunden ist, die vom Erfinder vorgeschlagenen Lösungsbeispiele diese Nachteile oder Schwierigkeiten aber ignorieren und schlicht in Kauf nehmen. Auf technische Schwierigkeiten oder Nachteile könne eine erfinderische Tätigkeit nicht gestützt werden, wenn das Streitpatent keine Hinweise zu deren Überwindung aufzeige.

Amtliche Leitsätze:

a) Eine in dem Sachanspruch eines Patents enthaltene Zweck- oder Funktionsangabe für die beanspruchte Vorrichtung bringt regelmäßig zum Ausdruck, dass die Vorrichtung für den genannten Zweck oder die genannte Funktion objektiv geeignet sein muss. Damit bleibt der Patentanspruch ein Sachanspruch, der sich auf eine Vorrichtung richtet, mit der die genannten Zwecke oder Funktionen realisiert werden können.

b) Zur Bejahung der Patentfähigkeit reicht es nicht aus, dass die vom Streitpatent vorgeschlagene technische Lösung aus Sicht des Standes der Technik mit Nachteilen oder ihre Realisierung mit Schwierigkeiten verbunden ist, wenn die vom Erfinder vorgeschlagene Lösung diese Nachteile oder Schwierigkeiten in Kauf nimmt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 04.06.1996, Az. X ZR 49/94, BGHZ 133, 57 – Rauchgasklappe).

BGH, Urteil vom 24.04.2018, Az. X ZR 50/16 – Gurtstraffer