TKG-Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung verstoßen gegen Unionsrecht

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat mit Beschluss vom 22.06.2017 entschieden, dass die Ende des Jahres 2015 eingeführte und ab dem 01.07.2017 zu beachtende Pflicht für die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste zur Vorratsdatenspeicherung mit dem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar ist.

Hintergrund

Die TKG-Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung sehen vor, dass Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste die bei der Nutzung von Telefon- und Internetdiensten anfallenden Verkehrs- und Standortdaten ihrer Nutzer für eine begrenzte Zeit auf Vorrat speichern müssen, damit diese Daten im Bedarfsfall zuständigen Behörden etwa zur Strafverfolgung zur Verfügung gestellt werden können.

Die Antragstellerin hatte sich zunächst mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Verwaltungsgericht Köln gewandt, um der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung bis zur Entscheidung über die parallel erhobene Klage vorläufig nicht nachkommen zu müssen. Diesen Antrag hatte das Verwaltungsgericht abgelehnt. Der insoweit erhobenen Beschwerde der Antragstellerin hat das OVG nunmehr stattgegeben.

Entscheidung

Das OVG NRW hat sich im Rahmen seiner Entscheidung eng an eine jüngere Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2016 (Az. C-203/15 und C-698/15) gehalten und den Standpunkt vertreten, dass die TKG-Speicherpflicht in der Folge des EuGH-Urteils jedenfalls in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nicht mit Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (RL 2002/58/EG) vereinbar sei.

Die Speicherpflicht erfasse pauschal Verkehrs- und Standortdaten nahezu aller Nutzer von Telefon- und Internetdiensten. Erforderlich seien jedoch nach der EuGH-Rechtsprechung jedenfalls Regelungen, die den von der Speicherung betroffenen Personenkreis von vornherein auf Fälle beschränkten, bei denen ein zumindest mittelbarer Zusammenhang mit der durch das Gesetz bezweckten Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe. Dies könne zum Beispiel durch personelle, zeitliche oder geographische Kriterien geschehen. Eine anlasslose Speicherung von Daten könne insbesondere nicht dadurch kompensiert werden, dass die Behörden nur zum Zweck der Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren Zugang zu den gespeicherten Daten erhielten und strenge Maßnahmen zum Schutz der gespeicherten Daten vor Missbrauch ergriffen würden.

Auswirkungen

Das Thema Vorratsdatenspeicherung hat die Gerichte in Europa schon mehrfach beschäftigt und dürfte auch weiterhin ein Streitthema bleiben. Die Entscheidung des OVG NRW kann vor dem Hintergrund der erst unlängst ergangenen Entscheidung des EuGH anlässlich des vom Oberverwaltungsgericht aufgegriffenen, ähnlich gelagerten Vorabentscheidungsersuchens nicht verwundern. Die Anforderungen an etwaig zulässige Vorschriften über eine Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung sind nach den bislang ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen hoch und es kann nicht verwundern, dass die Gerichte auch neuere Umsetzungsversuche besonders kritisch und streng bewerten.

Im Ergebnis dürfte mit dem OVG NRW davon auszugehen sein, dass die Neuregelungen des TKG über die Vorratsdatenspeicherung nicht „halten“ werden. Dem steht auch nicht ein erst im März diesen Jahres ergangener Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entgegen, mit welchem ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Außerkraftsetzung von Regelungen des „Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ abgelehnt wurde. Die Ablehnung wurde ausschließlich darauf gestützt, dass Fragen verfassungsrechtlicher Art betroffen waren, die nicht „zur Klärung im Eilrechtsschutzverfahren geeignet“ seien. Formal mag dies richtig sein, faktisch werden damit die Regelungen über die Vorratsdatenspeicherung allerdings erst einmal ab dem 01.07.2017 zu beachten sein – jedenfalls für solche Anbieter, die sich nicht – wie vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen nunmehr erfolgt – erfolgreich zur Wehr setzen.