EuGH zum Begriff der Niederlassung in der Unionsmarkenverordnung

Mit der vorliegenden Entscheidung befürwortet der EuGH eine weite Auslegung des Niederlassungsbegriffs und stärkt damit die Rechte von Markenrechtsinhabern.

Zum Hintergrund

Hintergrund des vorliegenden Verfahrens ist die vermeintliche Verletzung einer auf das Gebiet der Europäischen Union erstreckten internationalen Bildmarke der in Dänemark ansässigen Hummel Holding durch den in den USA ansässigen Nike-Konzern. Die Hummel Holding verklagte zunächst vor dem Landgericht Düsseldorf und sodann vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf sowohl die in den USA ansässige Nike Inc. als auch deren in den Niederlanden ansässige Tochtergesellschaft Nike Retail. In Deutschland ist lediglich die Nike Deutschland GmbH ansässig, eine Tochtergesellschaft der Nike Retail, die jedoch nicht Partei des Ausgangsrechtsstreits ist.

Strittig ist zwischen den Parteien, inwieweit die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts bei der vorliegenden Konstellation eröffnet ist. Das Oberlandesgericht Düsseldorf war der Ansicht, dass sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung über die gegen die Gesellschaften des Nike-Konzerns gerichtete unionsweite Klage nur aus Art. 97 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ergeben könne. Es wies jedoch darauf hin, dass die Bedeutung des Begriffs „Niederlassung“ im Sinne dieser Bestimmung im Fall von selbastständigen Tochter- und Enkelgesellschaften streitig und vom Gerichtshof nicht geklärt worden sei. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens bat es den EuGH daher um Klärung, unter welchen Umständen eine juristisch selbstständige, in einem Mitgliedstaat der Union ansässige Enkelgesellschaft eines Unternehmens, welches selbst keinen Sitz in der Union hat, als „Niederlassung“ des Unternehmens im Sinne von Art. 97 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 anzusehen ist.

Entscheidung des EuGH

Mit seiner Entscheidung vom 18.05.2017 (Az. C-617/15) befürwortet der EuGH eine weite Auslegung des Begriffs der Niederlassung im Sinne der Unionsmarkenverordnung. Art. 97 Abs. 1 der Verordnung sei dahingehend auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige, rechtlich selbstständige Gesellschaft, die eine Enkelgesellschaft eines Stammhauses ist, das seinen Sitz nicht in der Union hat, eine „Niederlassung“ dieses Stammhauses im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn diese Enkelgesellschaft einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit bildet und in dem Mitgliedstaat, in dem sie sich befindet, über eine bestimmte reale und konstante Präsenz verfügt, von der aus eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wird, und sie auf Dauer als Außenstelle des Stammhauses hervortritt. Irrelevant ist, so der EuGH, ob die Niederlassung Rechtspersönlichkeit besitzt oder nicht. Auch der Umstand, dass es sich um eine Enkelgesellschaft und nicht eine unmittelbare Tochtergesellschaft handelt, soll unbeachtlich sein. Der EuGH stellt zudem klar, dass es für die Anwendung von Art. 97 grundsätzlich keine Rolle spielt, ob die so bestimmte Niederlassung an der behaupteten Markenverletzung beteiligt war oder nicht – ein solches Erfordernis sehe weder der Wortlaut der Regelung vor noch sei dies mit der weiten Auslegung des Niederlassungsbegriffs zu vereinbaren.

Anmerkung

Die vom EuGH befürwortete weite Auslegung des Niederlassungsbegriffs stärkt die Position von Markenrechtsinhabern, die gegen (vermeintliche) Verletzer vorgehen möchten, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben. In der bisherigen Rechtsprechung wurden rechtlich selbstständige Tochter- oder Enkelgesellschaften nur in einigen wenigen Fällen als „Niederlassungen“ eingestuft – die Klarstellung des EuGH, die insbesondere auch Kriterien für die Bestimmung einer solchen Niederlassung vorgibt, sind daher aus Rechteinhabersicht zu begrüßen. Rechteinhaber haben somit grundsätzlich die Möglichkeit, unter den verschiedenen „Niederlassungen“ den für sie passendsten Gerichtsstand auszuwählen.