BGH zum patentrechtlichen Schutz einer neuen Verwendung

In seinem Urteil „Cryptosporidium“ vom 23.02.2017 (Az.: X ZR 99/14) hat sich der BGH mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen eine Verwendung neu ist bzw. eine neuheitsschädliche Vorwegnahme angenommen werden kann.

Dem Streitfall lag eine Nichtigkeitsklage zugrunde. Der BGH hatte u. a. zu klären, ob der Gegenstand des Streitpatents neu (Art. 54 EPÜ) ist. Eine neuheitsschädliche Vorwegnahme kam deshalb in Betracht, weil der Erfolg, den die neu beanspruchte Verwendung verspricht (Inaktivierung von Cryptosporidien), beim Einsatz zu den aus dem Stand der Technik bekannten Zwecken (Behandlung von Wasser mit UV-Licht in der vom Streitpatent beanspruchten Wellenlänge und Dosierung zur Inaktivierung von Bakterien und Viren) eintreten konnte.

Eine bestimmte Verwendung sei neu, wenn die geschützte Lehre eine zusätzliche Verwendungsmöglichkeit aufzeige, die durch objektive Merkmale von den im Stand der Technik bekannten Verwendungsmöglichkeiten abgegrenzt werden könne. Für die Annahme einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme sei dementsprechend insoweit nur Raum, wenn der Fachmann den Gegenstand zweckgerichtet zu dem geschützten Verwendungszweck eingesetzt habe.

Daran fehlte es nach Ansicht des BGH im Streitfall. Dass im Stand der Technik mit einer zur Inaktivierung von Bakterien und Viren eingesetzten Anlage ohne Wissen des Fachmanns auch Cryptosporidien inaktiviert wurden, begründe weder einen zweckgerichteten Einsatz noch eine bekannte Verwendungsmöglichkeit in diesem Sinne. Für die Patentfähigkeit sei insoweit unerheblich, dass der Erfolg, den die neu beanspruchte Verwendung verspreche, beim Einsatz zu den bekannten Zwecken eintreten konnte. Die objektive Eignung eines an sich bekannten Mittels für eine neue Verwendung sei für die Kategorie der Verwendungspatente typisch und stehe dem Schutz der neuen Verwendung nicht entgegen.

Amtliche Leitsätze des BGH:

EPÜ Art 54; PatG § 3

  • Eine Verwendung ist neu, wenn die geschützte Lehre eine zusätzliche Verwendungsmöglichkeit aufzeigt, die durch objektive Merkmale von den im Stand der Technik bekannten Verwendungsmöglichkeiten abgegrenzt werden kann (Bestätigung von BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 – X ZR 53/11, GRUR 2012, 373 – Glasfasern I).
  • Für die Annahme einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme ist dementsprechend nur Raum, wenn der Fachmann den bekannten Gegenstand zweckgerichtet zu dem geschützten Verwendungszweck eingesetzt hat.

BGH, Urteil vom 23.02.2017, Az.: X ZR 99/14 – Cryptosporidium