BGH – Vakuumtransportsystem, Prozessuale Voraussetzungen einer Restitutionsklage bei späterer Vernichtung des Klagepatents

In einem Urteil vom 10.01.2017 (Az. ZR 17/13) hat sich der BGH mit den Voraussetzungen  die Restitutionsklage nach § 582 ZPO befasst, nach dem diese nur zulässig ist, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Einspruch oder Berufung oder mittels Anschließung an eine Berufung, geltend zu machen.

Die Patentinhaberin war wegen Patentverletzung verurteilt. Das Verfahren war noch anhängig im Stadium einer Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH (NZB), als das Patent in einem parallelen Nichtigkeitsverfahren rechtskräftig beschränkt wurde, so dass die angegriffene Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patentes herausfiel. Die NZB war zu diesem Zeitpunkt bereits begründet (gestützt auf andere Gründe als den der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung). Der BGH prüfte nur die ursprünglich geltend gemachten NZB-Gründe, berücksichtigte aber nicht von Amts wegen die zwischenzeitliche Beschränkung des Patents.

Mit einer anschließenden Restitutionsklage vor dem OLG machte die Patentverletzerin geltend, dass die angegriffene Ausführungsform aus dem Schutzbereich des vom BPatG beschränkten Patents herausgefallen ist. Das OLG wies die Klage ab. Das Berufungsgericht stützte die Entscheidung darauf, dass die Patentverletzerin trotz abgelaufener Frist für die NZB-Begründung im Verletzungsverfahren zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Nichtigkeitsverfahrens noch eine Wiedereinsetzung in die Frist vor dem BGH hätte beantragen können.  Mittels dieser Wiedereinsetzung hätte der Nichtzulassungsgrund der Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung noch vor dem BGH geltend gemacht werden können, so dass die geändert Patentlage hätte berücksichtigt werden können.

Der BGH hob das Urteil des OLG auf und verwies das Verfahren zurück. Er stellte der Entscheidung zwei Leitsätze voran:

  1. Die Revision gegen ein auf Patentverletzung erkennendes Berufungsurteil ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn das Patent ganz oder teilweise rechtskräftig für nichtig erklärt wird und dies dem Berufungsurteil die Grundlage entzieht. Der Zulassungsgrund muss gegebenenfalls innerhalb der Frist zur Wiedereinsetzung in die insoweit versäumte Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (Fortführung von BGH, Beschluss vom 6. April 2004 X ZR 272/02, BGHZ 158, 372 Druckmaschinen-Temperierungssystem I).
  2. Die Partei kann den Wegfall der Urteilsgrundlage nicht im Wege einer Restitutionsklage geltend machen, wenn sie es schuldhaft unterlassen hat, den Restitutionsgrund zum Gegenstand einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Verletzungsurteil zu machen.

Im entschiedenen Fall sah der BGH aber in der Versäumung der Wiedereinsetzung kein Verschulden. Zum Zeitpunkt, in dem die Wiedereinsetzung hätte beantragt werden müssen (Anfang 2012), durfte die Patentverletzerin noch davon ausgehen, dass es keiner expliziten Geltendmachung des Nichtzulassungsbeschwerdegrunds aufgrund des Wegfalls des Patents bedurfte, sondern durfte auf Basis der bis dahin ergangenen Rechtsprechung darauf vertrauen, dass dies von Amts wegen berücksichtigt wird (anknüpfen an BGH GRUR 2004, 710 – Druckmaschinen-Temperierungssystem und BGH GRUR 2010, 858 – Crimpwerkzeug III).

Bei abgelaufener Frist zur Begründung einer NZB und darauffolgender Vernichtung des Klagepatents muss also nun in einem anhängigen NZB-Verfahren zukünftig immer die Wiedereinsetzung in die NZB-Begründungsfrist beantragt werden, worauf die Einheitlichkeit der Rechtsprechung als Zulassungsgrund geltend gemacht werden kann. Ansonsten scheidet eine spätere Restitutionsklage aus. Für Altfälle, die in die Zeit der diesbezüglichen Rechtsunsicherheit in der Rechtsprechung fallen, gilt dies nicht.