BGH zur äquivalenten Patentverletzung

In seinem Urteil vom 23.08.2016 „V-förmige Führungsanordnung“ (Az.: X ZR 76/14) hat sich der BGH mit der Frage befasst, ob durch die konkrete Formulierung eines Merkmals im Patentanspruch (hier: „V-förmig“) eine Festlegung des Patentinhabers auf eine Wortsinn entsprechende Ausgestaltung erfolgt ist, die eine äquivalente Patentverletzung ausschließt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt eine äquivalente Patentverletzung nur dann vor, wenn die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, um ein abgewandeltes Mittel als objektiv gleichwirkend aufzufinden, am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind.

Das Berufungsgericht hatte eine Verwirklichung der patentgeschützten Lehre in patentrechtlich äquivalenter Weise im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform mit halbkreis- bzw. U-förmigen Führungsanordnungen jedenfalls nicht gleichwertig sei. Zwar möge es sein, dass auch eine U-Form das Leistungsergebnis der patentgeschützten Lehre erreiche, jedoch leite nach Ansicht des Berufungsgerichts die Klagepatentschrift den Fachmann nicht zu einer solchen Ausgestaltung an, weil sie sich gerade auf die V-Form festlege. Insoweit vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass die vom Klagepatent gelehrte Formgebung keine eigenständige Bedeutung mehr hätte, wenn jedwede geometrische Form der Führungsanordnung, die das Leistungsergebnis der patentgeschützten Lehre erreiche, als äquivalente Benutzung aufgefasst würde. Die Klägerin habe sich als Patentinhaberin hinsichtlich dieser Formgebung bewusst festgelegt.

Der BGH stellt in seinem Urteil insoweit klar, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die Überlegungen des Fachmanns, die ihm die Ersetzung eines wortsinngemäßen Merkmals durch ein abgewandeltes, aber im Zusammenhang der technischen Lehre des Patents gleichwirkendes Mittel erlauben, am Patentanspruch orientiert sind, im Zweifel weniger auf die räumlich-körperliche Ausgestaltung des Mittels als solche als vielmehr auf deren Funktion im Kontext der patentgemäßen Lehre ankommt.

Mit dem Argument, die Patentinhaberin habe sich mit der Aufnahme der V-Form in den Patentanspruch (bewusst) gerade auf diese Form des Querschnitts der Führungsanordnungen festgelegt oder beschränkt, könne daher der Ausschluss der von der angegriffenen Ausführungsform verwirklichten Ausgestaltung des Querschnitts der Führungsanordnungen aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht begründet werden. Andernfalls liefe diese Begründung letztlich darauf hinaus, gleichwirkende Ausführungsformen (ähnlich den foreseeable equivalents des amerikanischen Patentrechts) immer dann aus dem Schutzbereich auszu-schließen, wenn der Patentinhaber erkannt hat (oder hätte erkennen können), dass für ein im Anspruch benanntes Lösungselement Austauschmittel denkbar sind, und es versäumt hat, auf eine Fassung des Patents hinzuwirken, bei der die Austauschmittel vom Wortsinn des Patentanspruchs umfasst worden wären. Dies sei sachlich nicht zu rechtfertigen.

Amtlicher Leitsatz:

Die Orientierung der Überlegungen des Fachmanns, mit denen er ein im Sinne des Merkmals der Erfindung gleichwirkendes Austauschmittel als gleichwirkend auffinden kann, am Patentanspruch und damit die Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln kann regelmäßig nicht mit der Begründung verneint werden, der Patentinhaber habe sich mit der konkreten Formulierung des Merkmals auf eine dessen Wortsinn entsprechende Ausgestaltung festgelegt.

BGH, Urteil v. 23.08.2016, Az.: X ZR 76/14