BGH – Zur irreführenden Werbung trotz Geo-Targeting

In der Entscheidung „Geo-Targeting“ vom 28.04.2016 (Az.: I ZR 23/15) beschäftigt sich der BGH mit unlauterer Werbung im Rahmen von Geo-Targeting und mit der Irreführung über die Verfügbarkeit von Waren.

Grundlage des Streits war eine Auseinandersetzung von Wettbewerbern beim Angebot von Internetanschlüssen. Während die Klägerin ihre Dienstleistungen bundesweit vertreibt, ist das Angebot der Beklagten auf das durch ihr Kabelnetz abgedeckte Gebiet Baden-Württembergs beschränkt. Außerhalb dieses Gebietes können Kunden keinen Internetanschluss der Beklagten erhalten. Die Beklagte schaltete eine Bannerwerbung auf bundesweit ausgerichteten Portalen im Internet und schränkte die Erreichbarkeit über die Geo-Targeting-Technik für Abrufe außerhalb Baden-Württembergs ein. Dabei sei allenfalls mit einem Streuverlust von 5 %, also einer äußerst geringen Abrufbarkeit außerhalb des eigenen Netzgebietes, zu rechnen. Die Klägerin sah in dem Umstand, dass die Bannerwerbung der Beklagten auch außerhalb von Baden-Württemberg aufgerufen werden konnte, einen Wettbewerbsverstoß und machte Unterlassung geltend.

Der BGH kam zum Ergebnis, dass das Berufungsgericht den Unterlassungsanspruch zu Recht für begründet erachtet hat.

Zunächst stellt der BGH klar, dass auch derjenige als Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG gelten kann, dessen Waren oder Dienstleistungen die angesprochenen Verbraucher in dem Gebiet, in dem die beanstandete Werbung erscheint, nicht erwerben können. Begründet wird dies damit, dass – obwohl die Verbraucher die Leistungen der Beklagten im konkreten Gebiet nicht beziehen können – diesen Verbrauchern im Hinblick auf das für sie nicht verfügbare Angebot der Beklagten die von der Klägerin angebotenen Leistungen weniger attraktiv erscheinen können, so dass sie unter Umständen von einer Auftragserteilung an die Klägerin abgehalten werden können.

Darüber hinaus sei die Bannerwerbung der Beklagten für kabelgebundene Internetanschlüsse nach Auffassung des BGH zur Täuschung der Verbraucher über die räumliche Verfügbarkeit der Dienstleistungen der Beklagten geeignet, soweit die Werbung außerhalb des Vertriebsgebietes der Beklagten abrufbar ist. Nach Ansicht des Senats reicht der Umstand, dass etwa 5 % der von der Werbung angesprochenen Verbraucher die beworbenen Dienstleistungen tatsächlich nicht beziehen können, aus, um über die räumliche Verfügbarkeit der Dienstleistungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG zu täuschen. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die Werbung der Beklagten erwecke diesen Verbrauchern gegenüber den unzutreffenden Eindruck, sie könnten die Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen, ließe nach Ansicht des BGH keine Rechtsfehler erkennen. Bei Internetnutzern außerhalb Baden-Württembergs, denen die Werbung erscheint, werde der Eindruck einer jedenfalls bundesweiten Verfügbarkeit des Angebots der Beklagten erweckt, so dass sie annehmen würden, diese Leistungen grundsätzlich auch an ihrem Wohnort in Anspruch nehmen zu können.

Der BGH betont, dass derjenige, der auf bundesweit ausgerichteten Portalen im Internet für Telekommunikationsdienstleistungen wirbt und weder aus der Natur der Sache noch aufgrund entsprechender Hinweise als allein lokal oder regional ausgerichtetes Unternehmen zu erkennen ist, den Eindruck einer grundsätzlich bundesweiten Verfügbarkeit seiner Waren und Dienstleistungen erwecke.

Für die Frage, ob ein relevanter Teil des Verkehrs irregeführt wird, sei allein auf die von der beanstandeten Werbung angesprochenen Verkehrskreise abzustellen. Der lauterkeitsrechtlichen Erheblichkeit der Irreführung stehe nicht entgegen, dass die Beklagte ein Geo-Targeting-Verfahren verwendet, durch das mit einer Genauigkeit von 95 % Verbraucher aus Baden-Württemberg erreicht werden, die allein die Beklagte als Kunden für ihre Leistungen gewinnen will. Die von der Beklagten grundsätzlich unerwünschte Ausstrahlung ihrer Werbung in Gebiete, in denen sie ihre Leistungen nicht anbietet, sei kein unter Umständen erheblicher „Ausreißer“, sondern ein Streuverlust, der von der Beklagten bewusst in Kauf genommen wird, obwohl sie eine Irreführung durch einen Hinweis auf die räumliche Verfügbarkeit ihres Angebotes ohne Weiteres ausschließen könnte.

Abschließend betont der BGH, dass die Werbung der Beklagten geeignet sei, die dadurch irregeführten Verbraucher außerhalb Baden-Württembergs zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Diese Verbraucher würden dazu veranlasst, sich durch Aufruf der Webseite der Beklagten näher mit deren Angebot zu befassen. Der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ umfasse nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produktes, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen, wie insbesondere das Betreten eines Geschäftes. Das Aufsuchen einer Internetseite, auf der Produkte oder Dienstleistungen unmittelbar bestellt werden können, stehe dem Betreten eines stationären Geschäftes gleich.

Die Entscheidung des BGH führt die bisherige Rechtsprechung, wonach das Vortäuschen nicht vorrätiger Ware im stationären Ladenlokal eine relevante irreführende Werbung darstellt, im Bereich des Online-Marketings konsequent weiter. Bewusst in Kauf genommene Streuverluste im Bereich des Geo-Targeting führen nicht zu einer wettbewerbsrechtlichen Unbedenklichkeit, so dass in jedem Fall bei vergleichbaren Maßnahmen rechtzeitig die notwendigen Informationen im Banner oder sonstiger Werbung selbst aufgenommen werden sollten.

Quelle: BGH vom 28.04.2016, I ZR 23/15