BGH – Yttrium-Aluminium-Granat

Der BGH hat sich in einem Urteil vom 16.08.2016  (Az. X ZR 96//14) mit Fragen der Würdigung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen im Nichtigkeitsverfahren befasst, die die Frage der offenkundigen Vorbenutzung einer Erfindung betrafen.

Der BGH hatte über die Nichtigkeit des deutschen Teils eines Europäischen Patents zu entscheiden. Das Patent betraf (verkürzt dargestellt) eine Leuchtdiode (LED), der ein phosphoreszierender Leuchtstoff aus Yttrium-Aluminium-Granat beigeordnet war. Der Leuchtstoff nahm einen Teil des von der LED emittierten Lichts auf und sendete es mit einer anderen Wellenlänge ab, so dass im Ergebnis von dem gesamten Bauteil weißes Licht abgegeben wurde.

Das BPatG hatte das Patent nach einer Beweisaufnahme wegen offenkundiger Vorbenutzung für nichtig erklärt. Das BPatG hatte sich dabei maßgeblich auf ein Produktdatenblatt gestützt. Streitig war zwischen den Parteien das Inverkehrbringen dieses Datenblatts durch eine Herstellerin der LEDs. Das BPatG hatte dafür unter anderem Beweis erhoben durch Zeugnis eines Mitarbeiters der Adressaten der entsprechenden Sendung. Der Zeuge hatte bekundet, das Datenblatt abgezeichnet, erhalten und eine (nicht mehr auffindbare) Kopie gemacht zu haben.

Der BGH würdigte das Ergebnis der Beweisaufnahme erneut, arbeitete ungelöste Widersprüche  zu der vom BPatG als entscheidend betrachteten Zeugenaussage heraus und wies die Nichtigkeitsklage im Ergebnis ab.

Der BGH warf dem BPatG vor allem vor, bestimmte Nachfragen versäumt zu haben, die an die Glaubhaftigkeit der entscheidenden Zeugenaussage anknüpften. Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen ergaben sich für den BGH daraus, dass das Patentgericht die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht geprüft hatte. Nach § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 395 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind einem Zeugen erforderlichenfalls Fragen über solche Umstände zu stellen, die seine Glaubwürdigkeit, insbesondere seine Beziehungen zu den Parteien, betreffen. Der entscheidende Zeuge hatte eingeräumt, geschäftliche Beziehungen zu der Klägerin (Beratervertrag bis 2015) gehabt zu haben, ohne dass das BPatG dies gewürdigt hatte.

Eine prozessuale Besonderheit des Falls lag dabei darin, dass der entscheidende Zeuge inzwischen verstorben war. Der BGH sah sich nicht daran gehindert, die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen anders als das BPatG zu beurteilen und die Sache selbst zu entscheiden.

Das Berufungsgericht ist nicht gehindert, die vom Erstgericht bejahte Glaubhaftigkeit der Bekundungen eines Zeugen zu verneinen, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, der Zeuge jedoch verstorben ist oder seine erneute Vernehmung aus anderen Gründen nicht möglich ist (Leitsatz der Entscheidung).