BGH – Wettbewerbsrechtlicher Schutz einer Romanfigur

Im Urteil „Pippi-Langstrumpf-Kostüm II“ vom 19.11.2015 (I ZR 149/14) hat sich der BGH mit dem wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur beschäftigt.

Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit dem einer roten Perücke mit abstehenden Zöpfen und einem T-Shirt sowie Strümpfen mit rotem und grünem Ringelmuster verkleidet waren. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.

Die Klägerin ist Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen Schaffen der verstorbenen Autorin Astrid Lindgren. Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur „Pippi Langstrumpf“ verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, indem sich die Beklagte in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe der Klägerin daher Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000,00 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe lediglich der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt war. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gemäß §§ 3, 4 Nr. 9, § 9 UWG sowie aus §§ 823, 826 BGB hat der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil auch im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgewiesen. Es hat angenommen, dass kein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 9a und b UWG gegeben sei. Zwar stellen die von der Beklagten verwendeten Abbildungen eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar, allerdings sei das Verhalten der Beklagten nicht als unlauter einzustufen. Das Oberlandesgericht hat sowohl eine unlautere Herkunftstäuschung wie auch eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf verneint.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Der BGH hat die Revision zurückgewiesen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Klägerin der Schadensersatzanspruch weder aus § 4 Nr. 9 UWG noch nach der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Leistungsschutzes zustehe. Der BGH führt aus, dass auch eine literarische Figur gemäß § 4 Nr. 9 UWG Schutz genießen könne. Allerdings fehle es an einer Nachahmung im Sinne dieser Vorschrift. Bei der Prüfung, ob eine literarische Figur durch Übernahme von äußeren Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, gemäß § 4 Nr. 9 UWG nachgeahmt wird, seien keine geringeren Anforderungen zu stellen. Im vorliegenden Fallen bestünden zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur geringe Übereinstimmungen, so dass die Nachahmung zu verneinen ist.

Die Ablehnung des Anspruchs aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG begründet der BGH damit, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke nicht bestehe. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel seien gegen Nachahmung unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt. Insoweit stehe es der Klägerin frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Daher – so der BGH weiter – sei der Schutz der Verwertbarkeit einer fiktiven Figur außerhalb des Urheberrechts sowie der Schutz der vom Rechteinhaber im Bereich der wirtschaftlichen Verwertung dieser Figur erbrachten Investitionen („character merchandising“) in Form eines Schutzrechts über die Generalklausel nach § 3 Abs. 1 UWG angesichts der im Lauterkeits-, Marken- und Designrecht vorhandenen Schutzmöglichkeiten nicht geboten.

BGH vom 19.11.2005, I ZR 149/14 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II