BGH: Datenbankschutz für Landkarten

Mit Urteil vom 10. März 2016 hat sich der BGH zu der Frage geäußert, ob Landkarten als Datenbanken i.S.d. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG urheberrechtlichen Schutz genießen (Az. I ZR 138/13 – TK 50 II), nachdem er den EuGH zuvor um Vorabentscheidung ersucht hatte.

Sachverhalt

Kläger in dem Verfahren ist der Freistaat Bayern, der durch das Landesamt für Vermessung und Geoinformation topografische flächendeckende Landkarten für das gesamte Bundeland Bayern im Maßstab 1:50.000 (sog. „TK 50“) herausgibt. Der Beklagte ist ein Verlag und veröffentlicht Atlanten, Tourenbücher sowie Karten für Radfahrer, Mountainbiker und Inline-Skater. Der Kläger wirft dem Beklagten vor, bei der Erstellung seines Kartenmaterials in sechs Karten die topografischen Landkarten des Klägers genutzt und die den Karten zu Grunde liegenden Daten übernommen zu haben.

Nachdem das Landgericht München I (20.09.2012, Az. 7 O 18006/07) den Beklagten zur Unterlassung sowie zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung dieser Karten verurteilt sowie eine Schadenersatzpflicht festgestellt hat und die Verurteilung hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs in Rechtskraft erwachsen ist, hat das OLG München (13.06.2013, Az. 29 U 4267/12) die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen, soweit der Beklagte zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt und seine Schadensersatzpflicht festgestellt worden ist. Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Vorabentscheidung ersucht und in diesem Zusammenhang die folgende Frage vorgelegt:

Ist bei der Frage, ob eine Sammlung von unabhängigen Elementen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG vorliegt, weil sich die Elemente voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihres informativen Inhalts dadurch beeinträchtigt wird, jeder denkbare Informationswert oder nur derjenige Wert maßgebend, welcher unter Zugrundelegung der Zweckbestimmung der jeweiligen Sammlung und der Berücksichtigung des sich daraus ergebenden typischen Nutzerverhaltens zu bestimmen ist?

Mit Urteil vom 29. Oktober 2015  (Az. C-490/14 – Freistaat Bayern/Verlag Esterbauer GmbH) hat der EuGH hierüber folgendermaßen entschieden:

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist dahin aus-zulegen, dass geografischen Daten, die von einem Dritten aus einer topografischen Landkarte herausgelöst werden, um eine andere Landkarte herzustellen und zu vermarkten, nach ihrer Herauslösung ein hinreichender Informationswert bleibt, um als „unabhängige Elemente“ einer „Datenbank“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden zu können.

Entscheidung des BGH

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Ansprüche des Klägers wegen einer Verletzung seiner Rechte an den Datenbanken i.S.v. §§ 87 a ff. UrhG nach Ansicht des Senats zu Unrecht verneint.

Der Datenbankhersteller habe nach § 87b Abs. 1 S. 1 UrhG das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.

Landkarten als Datenbanken i.S.d. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG?

Zu entscheiden sei die Frage, ob die in Rede stehenden Karten Datenbanken i.S.d. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG sind. Danach ist eine Datenbank eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art und Umfang wesentliche Investition erfordert. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der in den Karten des Klägers enthaltenden Daten eine nach Art und Umfang wesentliche Investition erfordere, komme es vorliegend allein auf die übrigen Voraussetzungen einer Datenbank i.S.v. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG an. Das Berufungsgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass eine topografische Landkarte eine Zusammenstellung von Daten enthalte, die systematisch angeordnet seien.

Unabhängige Elemente i.S.v. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG

Nicht zutreffend sei jedoch die Annahme, dass es sich bei den Geodaten und den Angaben zu den topografischen Eigenschaften der Landschaft nicht um unabhängige Elemente i.S.v. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG handele. Dazu führte der Senat unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH und des BGH aus, eine Sammlung von unabhängigen Elementen liege vor, wenn die Elemente sich trennen lassen, ohne dass der Wert ihres informativen, literarischen, künstlerischen, musikalischen oder sonstigen Inhalts beeinträchtigt wird. Wie der EuGH auf den Vorlagebeschluss entschieden habe, stellen geografische Daten, die von einem Dritten aus einer topografischen Landkarte herausgelöst werden, um eine andere Landkarte herzustellen oder zu vermarkten, unabhängige Elemente einer Datenbank i.S.v. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG dar, da sie den Kunden des die Daten verwertenden Unternehmers nach ihrer Herauslösung sachdienliche Informationen liefern.

Fazit

Der Schutz topografischer Karten als Datenbank i.S.d. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG war in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Der BGH hat sich nun in seinem Urteil der Ansicht des EuGH zur weiten Auslegung des Datenbank-Begriffs angeschlossen und beendet damit den Streit zur Datenbankeigenschaft topografischer Karten. Die Bedeutung der weiten Auslegung des Begriffs der „unabhängigen Elemente“ hat auch über den Anwendungsbereich von topografischen Karten hinaus Bedeutung und wird wohl insgesamt zu einem stärkeren Schutz von Datenbankherstellern führen.

Quelle: BGH, Urt. V. 10.03.2016, Az. I ZR 138/13