OLG Brandenburg: Nachtrag trotz Abschluss eines Global-Pauschalvertrages

Ein aktuelles Urteil des OLG Brandenburg (Urteil vom 21.11.2018 – 4 U 19/18) zeigt einmal mehr, dass Klauseln in Pauschalpreisverträgen, die den Auftragnehmer zu „vollständigen“ Leistungen verpflichten oder Nachträge des Auftragnehmers „ausschließen“, eine trügerische Sicherheit bieten. Denn in den geschlossenen Verträgen sind oftmals Detailregelungen enthalten, die die geschuldeten Leistungen konkretisieren und somit die Basis für den vereinbarten „Festpreis“ darstellen. Nimmt der Auftraggeber nach Vertragsschluss eine Änderung an Detailvorgaben vor – sei es aus freien Stücken, sei es, weil etwa behördliche Anordnungen dies erfordern – kann ein Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers über den vereinbarten Preis hinaus entstehen. So war es in dem hier vorgestellten Fall.

Sachverhalt

Geklagt hatte ein Auftragnehmer, der auf Grundlage der VOB/B mit der „vollständigen Lieferung und Montage von kompletten Fahrstuhlanlagen mit verkleidetem Schachtgerüst“ beauftragt worden war. Nach dem Angebot des Auftragnehmers gehörten zum Lieferumfang auch „Lüftungsgitter für Schachtentlüftung zum Treppenhaus vorbehaltlich der Zustimmung durch die Brandschutzbehörden“. Der von den Parteien geschlossene Pauschalfestpreisvertrag enthielt zudem die Regelung, dass „Nachträge für diesen Pauschalfestpreisvertrag ausgeschlossen sind“. Daran schloss sich die folgende Klausel an: „Der Auftragnehmer hat sich vor Abgabe der Angebotserstellung allseitig und umfangreich auf der Baustelle informiert.“

Nachdem sich infolge der Bedenken des mit der Brandschutzplanung befassten Planungsbüros herausstellte, dass die vorgesehene Art der Herstellung der Schachtentlüftung über das Treppenhaus nicht genehmigungsfähig gewesen wäre, bot der Auftragnehmer den Einbau eines gesteuerten Lüftungssystems an. Hiermit verbunden machte er Mehrkosten geltend. Der Auftraggeber beauftragte den Nachtrag zunächst, weigerte sich aber später unter Hinweis auf die Klauseln des Vertrages, ihn zu bezahlen. Der Auftragnehmer erhob u. a. deshalb Klage.

Entscheidung

Das OLG Brandenburg gab dem Auftragnehmer Recht.

Zwar stehe es Parteien eines Global-Pauschalvertrages grundsätzlich frei zu vereinbaren, dass der Auftragnehmer auch solche Mehrleistungen ohne Anspruch auf Mehrvergütung zu erbringen habe, die dadurch entstehen, dass der Auftraggeber nach Vertragsschluss die dem Vertrag zugrundeliegende Planung ändert. An die Annahme einer derartigen Vereinbarung seien jedoch strenge Anforderungen zu stellen.

Schon der erläuternde Satz in dem Vertrag, dass der Auftragnehmer sich vor Abgabe der Angebotserstellung allseitig und umfangreich auf der Baustelle informiert habe, lasse einen entgegenstehenden Willen der Parteien erkennen. Die in dem Vertrag getroffene Regelung über den Ausschluss von Nachträgen sei demnach im vorliegenden Fall dahin zu verstehen, dass damit nur solche Nachträge ausgeschlossen sein sollten, die der Auftragnehmer in den vereinbarten Preis hätte einkalkulieren können und müssen. Dies sei jedoch in Bezug auf das Entlüftungssystem gerade nicht der Fall; insoweit seien vielmehr beide Parteien bei Vertragsschluss, wenn auch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Genehmigungsbehörden, erkennbar davon ausgegangen, dass die Entlüftung über eine Öffnung zum Treppenhaus erfolgen sollte.

Fazit

Selten schließen Auftraggeber und Auftragnehmer Verträge, die das Risiko der Vollständigkeit der erforderlichen Leistungen wirksam einseitig auf den Auftragnehmer übertragen. Oftmals finden sich in vermeintlichen Global-Pauschalverträgen Einschränkungen oder Detailregelungen, die darauf schließen lassen, dass bei veränderter Sachlage Nachtragsforderungen des Auftragnehmers möglich sein sollen. Auftraggeber müssen sich darüber im Klaren sein, dass entsprechende Verträge ein nicht zu unterschätzendes Nachtragspotential bergen.