Vorsicht bei der Kürzung von Abschlagsrechnungen!

Das Oberlandesgericht Köln hat sich in seinem Urteil vom 07.06.2016, Az. 22 U 45/12, mit den möglichen Folgen unberechtigter Kürzungen von Abschlagsrechnungen auseinandergesetzt.

Die Parteien streiten über die Zahlung von Restwerklohn aus einem Bauvertrag (unter Einbeziehung der VOB/B) über den Bau eines Regenklärbeckens. Streitig ist zwischen den Parteien insbesondere der Massenansatz für die Leistungen des Baugrubenverbaus. Die Klägerin hatte insoweit 778,170 qm errechnet, die Beklagte hat den Ansatz demgegenüber auf 329,256 qm gekürzt. Die Kürzung ergibt sich daraus, dass die Beklagte meint, die Klägerin sei nur zur Abrechnung der Sichtfläche des Verbaus berechtigt. Demgegenüber vertritt die Klägerin die Auffassung, dass auch diejenigen Teile des Verbaus, die im Boden „verschwinden“, abzurechnen sind. Die Kürzung des Werklohns beläuft sich unter Berücksichtigung des unstreitigen Einheitspreises auf einen Betrag von ca. 98.000,00 €.

Ebenfalls streitgegenständlich ist ein Nachtrag der Klägerin wegen Stillstandkosten nach Behinderung. So legt sie im Prozess dar, dass sie wegen der Kürzung der Abschlagsrechnung, in der die Position „Baugrubenverbau“, wie zuvor geschildert,enthalten gewesen ist, die Arbeiten berechtigterweise unterbrochen habe. Die Beklagte habe die Rechnung nicht kürzen dürfen, sie sei daher zur Einstellung der Arbeiten berechtigt gewesen.

Die Klägerin bekommt in II. Instanz Recht! Zunächst stellt das OLG (insoweit noch in Übereinstimmung mit dem LG) fest, dass die Massenermittlung der Klägerin auch in Bezug auf den Verbau richtig ist. Da der Rechtsirrtum der Beklagten zur ihren Lasten gehe, sei die Kürzung der Abschlagsrechnung unberechtigt gewesen. Die Klägerin habe ihre Arbeiten gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B vorübergehend einstellen dürfen. Insbesondere sei die Klägerin ihrer Kooperationspflicht nachgekommen, da sie die strittigen Leistungen bereits erbracht und sich außerdem zu Einigungsgesprächen bei der Beklagten eingefunden habe. Die Regelung des § 18 Abs. 5 VOB/B, wonach Streitfälle den Auftraggeber nicht dazu berechtigen, die Arbeiten einzustellen, führe zu keinem gegenteiligen Ergebnis.

Die Regelung soll nach Auffassung des OLG Köln sicherstellen, dass Meinungsverschiedenheiten der Vertragsparteien über Vertragsinhalt und Bauausführung das Bauvorhaben selbst nicht gefährden, sondern einer gesonderten Auseinandersetzung vorbehalten bleiben. Die Regelung habe jedoch lediglich klarstellende Funktion. Leistungsverweigerungsrechte sollen durch § 18 Abs. 5 VOB/B nicht abgeschnitten werden. Der Auftragnehmer sei nicht verpflichtet, in erheblichem Maße in Vorleistung zu gehen. Er trage außerdem das Risiko für den Fall, dass seine Auffassung unrichtig ist. Denn der Auftraggeber sei dann zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. In Konsequenz war der Auftraggeber mit der Zahlung in Verzug und hat die daraus entstandenen Schäden zu ersetzen.

Für den Auftraggeber ergibt sich aus dieser Entscheidung die Konsequenz, bei der Kürzung von Abschlagsrechnungen Vorsicht walten zu lassen. Doch auch der Auftragnehmer sollte besonnen handeln und nicht übereilt die weitere Ausführung der Leistungen verweigern. Dies gilt umso mehr, als dass es durchaus Entscheidungen anderer Obergerichte gibt, die in Anwendung des § 18 Abs. 5 VOB/B ein Leistungsverweigerungsrecht des Auftragnehmers bei Zahlungsverzug verneinen.